Schon am Vormittag war es fast spätsommerlich warm. Die Sonne schien vom wolkenlosen blauen Himmel und die Bäume zeigten ihre erste herbstliche Farbenpracht. Ideales Wetter, um unser Traditionsfest, das Dankfest, zu feiern. Ich kam schon einige Zeit vor Veranstaltungsbeginn in der Felix-Dahn-Straße an. Karin und Jörg Klingbeil laden gerade einen Teil des vorbereiteten Mittagessens auf einen Teewagen, um es in die Küche zur weiteren Vorbereitung zu transportieren. Im Saal höre ich Klaviermusik. Rumi Hornung spielt sich am Klavier ein und spielt die Stücke, die wir später in der Feier singen und hören werden. Der Gemeindesaal war im Bühnenbereich mit bunten Blumen und Früchten liebevoll dekoriert. Vieles erinnerte mich an die vielen Dankfeste, an denen ich seit meiner Jugend immer wieder teilnehmen durfte. Einzig die überschaubare Anzahl an Stühlen ließ heute etwas Wehmut aufkommen. Aber der Gang der Zeit und insbesondere Corona haben vieles verändert. Das tat meiner Freude allerdings keinen Abbruch. Ich war dankbar, dass ich heute wieder bei diesem Fest dabei sein durfte. Es war einfach schön wieder alte Bekannte und Freunde zu treffen mit denen mich viel verbindet. Ich möchte hier nur die drei Geschwister Lange erwähnen, die während der Morgenfeier zwei Stuhlreihen vor mir saßen. Peter, der jetzt 90 Jahre alt wird, und dem die Tempelgesellschaft in Deutschland aber auch in Australien sehr viel zu verdanken hat und dem ich ganz persönlich dafür danke, dass er meine Mutter auf ihrem letzten Weg so einfühlsam begleitete. Dieter, mit dem ich bei einer meiner letzten Israel-Reisen einige Tage im gleichen Zimmer verbrachte und Gridle, die immer da ist und selbstlos hilft.
Die Morgenfeier wurde gestaltet von Jörg Klingbeil als Sprecher und virtuos begleitet und umrahmt von Rumi Hornung am Klavier. Jörg gab uns in seinem Vortrag eine umfassende und tiefschürfende Auslegung des Gleichnisses vom Pharisäer und vom Zöllner. In diesem Gleichnis gehen ein Pharisäer und ein Zöllner in den Tempel in Jerusalem. Der Pharisäer dankt Gott in seinem Gebet dafür, dass er Pharisäer ist und hebt hervor, dass er sich doch vorbildlich verhalte ganz anders als der Zöllner. Er lobt seine eigenen Leistungen beim Fasten und beim Geben des Zehnten und er sieht deshalb keinen Anlass, sich vor Gott als Sünder zu bekennen. Ganz anders der Zöllner, der gegen seine Brust schlägt und dabei nicht wagt aufzusehen. Er bittet Gott, ihm, dem Sünder gnädig zu sein. Anders als der Pharisäer ist er sich seiner Sündhaftigkeit bewusst und voller Demut. Das Gleichnis wird abgeschlossen mit der Aussage von Jesus, dass der Zöllner im Gegensatz zum Pharisäer gerechtfertigt nach Hause ginge, denn jeder, der sich selbst erhöhe, werde erniedrigt werden. Wer sich aber selbst erniedrige werde erhöht werden. Es reicht nicht aus sich im Leben korrekt zu verhalten und alle wichtigen Gebote einzuhalten und sich dann über andere erhaben zu fühlen und auf diese mit dem Finger zu zeigen. Wichtig ist, dass wir auch dort, wo wir glauben, alles richtig zu machen und gut zu sein, demütig und dankbar sind. Hier schließt sich der Kreis auch zum Dankfest. Jörgs Vortrag hat noch lange nachgeklungen und zum Nachdenken auch über das eigene Verhalten angeregt.
Das gemeinsame Mittagessen im Klubraum an festlich gedeckten Tischen war ein weiterer Höhepunkt. Karin Klingbeil, die »Mutter« unserer Gemeinschaft hatte eine wunderbare Kürbissuppe sowie eine Gemüse-Lasagne und Salat für uns zubereitet. Der süße Nachtisch stammte von Gridle und Rumi. Ganz herzlichen Dank dafür.