Die Warte des Tempels
Monatsschrift für offenes Christentum

Ausgabe 179/11 - November 2023

 

 

Warum ich ein liberaler Christ bin... - Kurt Bangert

Die Wahrheit wird euch frei machen - Jörg Klingbeil

TSA-Jugendsaal - Karin Klingbeil

Die historischen Friedhöfe der Tempelgesellschaft - Wolfgang Blaich

Warum ich ein liberaler Christ bin...

Oder: Was wollte Jesus eigentlich?

Schluss

5. Jesu Heilungen

Schließlich ist noch von den Heilungen Jesu zu reden. Von ihm wird erzählt, dass Menschen in seiner Gegenwart heil wurden. Doch hat Jesus zu keiner Zeit für diese Heilungen eine Wunderkraft für sich in Anspruch genommen, die einzusetzen und auszuüben er die Macht gehabt hätte. Jesus war kein Zauberer. Im Gegenteil: »Dein Glaube hat dir geholfen«, war sein immer wiederkehrender Spruch an die Adresse derer, die durch ihren eigenen persönlichen Glauben heil geworden waren. Jesus sagte diesen Satz zu jüdischen Männern und Frauen, an deren Heilung er beteiligt war (Mt 9,22; Mk 10,52; Lk 8,48); er sagte ihn aber auch einem (sonst verhassten) Samariter (Lk 17,19) und auch einer Frau, die nicht wegen einer Krankheit oder eines körperlichen Gebrechens zu ihm gekommen war, sondern weil sie unter der Last ihrer Sünde und Schuld - und wohl auch unter der Ausgrenzung durch die Gesellschaft - litt. Als die bußfertige Frau aus Jesu Mund die Worte hörte: »Dir sind deine Sünden vergeben«, verspürte sie große Erleichterung, sodass Jesus hinzufügte: »Dein Glaube hat dir geholfen. Geh hin in Frieden!« (Lk 7,48-50)

Offenbar war Jesus ein Mensch, zu dem sich andere Menschen hingezogen fühlten, weil von ihm eine heilende Wirkung ausging. Seine Worte ermutigten, trösteten, heilten die Men­schen, an Leib und Seele. Während die meisten Menschen sehr schnell bereit waren - und sind -‚ andere ob ihrer Fehler und Charaktereigenschaften zu verurteilen, über sie zu richten und sie obendrein zu bestrafen, war Jesus offenkundig jemand, der die Menschen mit ihren Schwächen und Sehnsüchten und in ihrer Hilfsbedürftigkeit akzeptierte, der das in ihnen steckende Potenzial erkannte und sie dazu ermutigte, das Beste aus sich herauszuholen. Er aktivierte ihre seelischen Selbstheilungskräfte, sodass sie an Körper und Geist gesund wur­den. Jesus ist das beste Beispiel dafür, dass Worte eine heilende Wirkung haben können - wenn man ihnen vertraut und ihnen Raum gibt. Jesus war Arzt und Psychotherapeut, von dessen therapeutischen Methoden sich mancher moderne Therapeut durchaus etwas ab­gucken könnte. (Vgl. dazu beispielsweise Hanna Wolff, Jesus als Psychotherapeut. Jesu Men­schenbehandlung als Modell moderner Psychotherapie, Stuttgart 1978.)

Jesus beanspruchte für sich keine übernatürlichen Kräfte und keine Wunderkraft. Dennoch glaubte Jesus aus der Vollmacht Gottes heraus zu wirken: »Wenn ich aber durch den Finger Gottes die Dämonen austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen.« (Lk 11,20) Jesus schrieb seine Taten gleichsam dem »Finger Gottes« zu, durch den die Menschen die Gotteskraft an ihrem eigenen Leib erfuhren, und er sah in dieser Wirksamkeit das Gottesreich aufscheinen und anbrechen. Der »Finger Gottes« war für ihn das Symbol für die göttliche Kraft, die jedem Menschen zur Verfügung steht, der sie für sich in Anspruch nimmt.

6. Was Jesus wollte: Heil für den Einzelnen und Heil für die ganze Gesellschaft

Wenn wir also die Predigten Jesu, seine Handlungen, seine Gleichnisse und die Heilungsbe­richte zugrunde legen, ging es Jesus vornehmlich darum, den Menschen eine gute Botschaft zu verkünden und sie von ihren Behinderungen und Begrenzungen, von ihren Lasten und Be­drückungen zu befreien und zu heilen bzw. sie dazu zu bringen, in sich selbst jene Selbsthei­lungskräfte zu aktivieren, die im Glauben an die Gottesmacht wirksam werden würden. Er hat sie also zum Glauben eingeladen.

Nicht zum Glauben an den Messias, den Erlöser, den Gottessohn oder an die christlichen Dogmen hat Jesus die Menschen eingeladen, sondern er wollte, dass sie an die Macht Gottes glauben, die in ihnen wirksam werden kann. »Gott« war für Jesus eine allmächtige Kraft und eine die Seele des Menschen durchdringende und transformierende Dynamik, die dem Heil des Menschen diente. Er wollte, dass die Menschen an Leib und Seele gesunden und ein Leben in Gerechtigkeit und in Fülle leben.

Jesus lud die Menschen also zum Glauben ein, damit sie - zunächst - an sich selbst glaub­ten und an die heilenden Kräfte, die in ihnen steckten. Jesus wollte die Menschen von ihren Krankheiten, Schuldgefühlen, Sorgen, Sünden und von ihrer Angst befreien und heilen. »Fürchte dich nicht, glaube nur!« (Mk 5,36) Habe Mut, gib nicht auf, entledige dich deiner Grenzen und Hemmnisse, erwarte Großes von dir selbst; ihr könnt Berge versetzen, wenn ihr nur glaubt. »Was seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben?« (Mk 4,40)

Aber nicht nur an sich selbst sollten die Menschen glauben, sondern auch an andere. Er wollte, dass sie an das Gute in sich selbst und an das Gute im andern glaubten. Das hieß: Er wollte, dass sie an die Liebe glaubten. Und er, Jesus, legte selbst reichlich Zeugnis davon ab, wie wichtig es war, an andere zu glauben, anderen Mut zu machen, anderen Vertrauen zu schenken und die in ihnen steckenden Möglichkeiten zu wecken, damit sie nicht ängstlich und verzagt seien, sondern unerschrocken, entschlossen und wagemutig. Die Liebe zu den Men­schen, die Jesus propagierte, war der Gegen-Pol aller Angst, aller Mutlosigkeit, aller Verbitte­rung, allen Neids, aller Eifersucht, aller Hassgefühle. Die Liebe ist darum der eigentliche Ge­genstand des christlichen Glaubens. Der Glaube an die Liebe ist der alles entscheidende Glaube. Jeder andere Glaube (etwa ein Fürwahrhalten von theologischen oder christologi­schen Lehrsätzen) ist sekundär, nebensächlich, ja belanglos; er ist Unglaube oder Aberglaube, der den Zweifel verdient. Wer hingegen an die Liebe glaubt, hat wahre Glaubensgewissheit. Die Liebe war das Lebensgesetz der Königsherrschaft. Sie war der eigentliche Kern der Bot­schaft Jesu.

Weil sich Menschen aber nicht nur selbst Grenzen setzen, sondern auch von außen, d.h. von der Gesellschaft, jede Menge Begrenzungen auferlegt und Behinderungen in den Weg gestellt bekommen, beschränkt sich die Botschaft Jesu nicht nur auf den persönlichen Bereich, sondern richtet sich auch an die Gesellschaft als Ganzes. Die Gottesherrschaft, die Gotteskraft und die Gottesliebe sollten nicht nur eine individuelle Sache sein, sondern alle angehen und die gesamte Gesellschaft berühren und verwandeln. Sonst macht die Rede von der Königs­herrschaft Gottes nämlich gar keinen Sinn. Und weil das Gottesreich nicht nur auf Einzelperso­nen zu beschränken ist, sondern das ganze Volk (und letztlich alle Völker) einschließt, ist die Botschaft Jesu auch eine unmissverständlich politische Botschaft: eine Botschaft von Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Versöhnung: und zwar für Mensch, Tier und Natur.

Dass die Botschaft Jesu vom Gottesreich nicht nur individualistisch im Sinne des persönli­chen Heils bzw. einer leiblichen und seelischen Heilung aufzufassen ist, sondern auch - und gerade - im sozialen, kollektiven Sinne zu verstehen sei, nämlich als eine anzustrebende Ge­sellschaft, in der Gerechtigkeit, Freiheit, Frieden und gegenseitige Achtung der menschlichen Würde gelebt werden, das ist von der Kirchengeschichte und der christlichen Theologie bis auf den heutigen Tag immer wieder sträflich vernachlässigt und marginalisiert worden. (Zu den wenigen Theologen, die den Aspekt des konkret in die Welt hineinwirkenden Gottesreiches betont haben - gegen alle Spiritualisierung und Eschatologisierung des Gottesreiches -, gehö­ren Christoph F. Blumhardt [der Jüngere] in Bad Boll, Johannes Müller von Elmau und vor allem der Deutsch-Amerikaner Walter Rauschenbusch.) Die Rede von einem »Reich« hätte gar keinen Sinn gemacht, wenn es Jesus nur um individuelles Heil gegangen wäre; vom »Got­tesreich« zu sprechen bezieht sich darum auch - und vor allem - auf das Ganze der mensch­lichen Gesellschaft, in die sich der Einzelne einfügt und für die er mitverantwortlich ist. Erst wenn die Gesellschaft als Ganze die Prinzipien der Gottesherrschaft praktiziert, kann der Ein­zelne darin wirklich heil werden und sich zu seinem vollen Menschsein entfalten.

7. Jesus als der Christus

Weil sich die Nachfolger Jesu auf ihn als den wichtigsten Kronzeugen des Gottesreiches berie­fen, erkoren sie ihn auch (in einem geistig-metaphorischen Sinn) zum »Kronprinzen« dieses Gottesreiches, also zum Königsanwärter, zum Thronfolger, zum Messias (d.h. zum König »Ge­salbten«) aus. Das hebräische Wort »Messias« (Gesalbter) heißt auf Griechisch »Christos«, weshalb es legitim ist, dass sich diejenigen, die Jesus nachfolgen möchten, bis auf den heutigen Tag »Christen« nennen. Damit bezeugen sie nachdrücklich, sich zu den Prinzipien des von Jesus gepredigten Gottesreiches zu bekennen. »Christus« ist somit der einzige Hoheitstitel, der seine uneingeschränkte Gültigkeit behält, weil er die enge Bindung der Person Jesu zur jesuanischen Gottesreich-Botschaft bekundet.

Liberales Christentum bedeutet für mich also, die Botschaft Jesu für die heutige Zeit und die heutigen Menschen immer wieder neu zu aktualisieren - und zwar ohne den Menschen intel­lektuelle und dogmatische Verrenkungen sowie christologische oder theologische Klimmzüge abzufordern. Vielmehr gilt es, den Menschen bei der Bewältigung ihrer Nöte und Belastungen, bei der Überwindung ihrer Ängste und Vorurteile, bei der Entfaltung ihrer selbst, ihrer Talente und Begabungen, ihrer geistigen, seelischen Fähigkeiten und bei der Erreichung ihrer ethi­schen, sozialen und gesellschaftsbildenden Ziele zur Seite zu stehen, um auf diese Weise an einer besseren, humaneren Gesellschaft und Welt, also an einer wahren Gottesherrschaft mit­zuwirken. Es geht um die Heilung einzelner Menschen ebenso wie um die Heilung der menschlichen Gesellschaft insgesamt. Man könnte es auch mit Emanuel Schikaneders Libret­to der Zauberflöte sagen:

 

»In diesen heil’gen Hallen

kennt man die Rache nicht!

Und ist ein Mensch gefallen,

führt Liebe ihn zur Pflicht.

Dann wandelt er an Freundes Hand,

vergnügt und froh ins bessre Land.

 

In diesen heil’gen Mauern

wo Mensch den Menschen liebt -

kann kein Verräter lauern,

weil man dem Feind vergibt.

Wen solche Lehren nicht erfreu’n,

verdienet nicht, ein Mensch zu sein.

 

Bald prangt,

den Morgen zu verkünden,

die Sonn auf gold’ner Bahn -

bald soll der Aberglaube schwinden,

bald siegt der weise Mann!

0 holde Ruhe, steig hernieder,

kehr in der Menschen Herzen wieder;

dann ist die Erd ein Himmelreich,

sind Sterbliche den Göttern gleich.«

 

Dass Menschen dieses Himmelreich auf Erden, diese Gottesherrschaft, nicht allein von sich aus aufrichten können - und schon gar nicht in einer von uns erträumten Vollkommenheit, dürf­te jedem klar sein. Von einer stetigen Aufwärtsentwicklung unserer menschlichen Gesellschaft ohne Rückschläge kann angesichts der Abgründigkeit des Menschen und der Welt nicht die Rede sein. Deshalb hat Jesus ja auch vom »Himmel«reich oder von »Gottes« Reich gespro­chen. Denn trotz allen menschlichen Tuns und Strebens verbleibt immer noch ein beträcht­licher Verheißungsüberschuss, dessen Verwirklichung wir dem unergründlichen Walten Gottes anheimstellen. Aber es wäre falsch und fatal, wollten wir die Gestaltung unserer menschlichen Gesellschaften allein jenem traditionellen Eingreifgott überlassen, der am Ende der Zeiten schon alles richten werde, ohne dass wir Menschen - und Nachfolger Christi zumal - ernsthafte Anstrengungen unternähmen, nicht nur uns selbst, sondern auch unsere Welt im Sinne der Evangeliumsbotschaft Jesu zu verändern. Nur wenn möglichst viele Menschen bereit sind, an einer gerechteren, solidarischeren, friedlicheren und lebensdienlicheren Welt mitzuwirken, darf diese Welt das geheimnisvolle Wirken Gottes an ihr erhoffen. Nur wenn der Mensch sein Bes­tes gibt, wird Gott das Seine dazutun.

 

Ein Nachwort: Ich glaube zwar, dass ich mit diesem Beitrag der Intention des historischen Jesus gerecht geworden bin. Dennoch könnte es sein, dass die eine Leserin oder der andere Leser meint, ich hätte Jesu Absichten nicht genau wiedergegeben. Für diesen Fall erinnere ich daran, dass Hunderte von christlichen Auslegern über die letzten zwei Jahrtausende den neu­testamentlichen Texten ihre je eigene Deutung gegeben (zuweilen übergestülpt) haben, wes­halb auch ich das Recht für mich in Anspruch nehme, meine eigene Interpretation für die heuti­ge Zeit in Anwendung zu bringen.

Kurt Bangert in: »Freies Christentum«, Nr. 3-2023

BIBELWORTE - KURZ BETRACHTET

Die Wahrheit wird euch frei machen

(Johannes 8,32)

Dieser Satz von Jesus leuchtet unmittelbar ein. Wem ist das noch nicht so ergangen, dass man sich gegenüber einem Mitmenschen falsch verhalten, z. B. ihn angelogen hatte und hin­terher Gewissensbisse bekam? Wenn man dann das Fehlverhalten eingestehen und sich mit dem Betroffenen aussprechen konnte, dann kann man das als befreiend empfinden, als ob eine zentnerschwere Last abgefallen wäre.

Allerdings meint Jesus nicht diesen psychologischen Effekt von tätiger Reue, sondern ver­wendet den Satz in einem anderen Zusammenhang. Jesus spricht hier nämlich von Wahrheit im religiösen, gar absoluten Sinne, die keine andere Wahrheit neben sich zulässt. Er befindet sich in einer heftigen verbalen Auseinandersetzung mit den Juden, denen er vorwirft, nicht an seinem Wort festzuhalten. Wie an vielen anderen Stellen des Johannes-Evangeliums erklärt Jesus apodiktisch, dass er der Sohn Gottes sei und den Willen seines himmlischen Vaters tue. Wir fühlen uns erinnert an Johannes 14,4: »Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.« Welcher Unterschied zum älteren Markus-Evangelium, wo Jesus göttliche Zuschreibungen für seine Person schroff zurückgewiesen hatte (10,18). Bei Johannes hingegen werden alle, die Jesus nicht glauben wollen, mit harten Vorwürfen überzogen. Nur wenn sie an seinem Wort, das mit der Wahrheit gleichgesetzt wird, festhielten, würden sie wirklich frei; andernfalls seien sie sogar Kinder des Teufels. Die Juden werden von Jesus bzw. dem Verfasser, der Jesus diese Worte in den Mund gelegt hat, somit ultimativ vor die Wahl gestellt: Entweder ihr glaubt an mich und zwar nicht nur als Propheten, sondern als präexistenten Gottessohn, oder ihr seid des Teufels.

Zum Hintergrund muss man wissen, dass das Johannes-Evangelium erst zwischen 90 und 100 n.Chr. entstand. Jerusalem war zerstört. Das Judentum hatte begonnen, Christen aus den Synagogengemeinden auszuschließen. Zugleich wurde das junge Christentum durch gnosti­sche Geistesströmungen bedrängt. Vermutlich als Gegenreaktion betont das Johannes-Evan­gelium die Abgrenzung von den Juden, wohl um den jungen christlichen Gemeinden Jesus als den Urheber der einen, richtigen Lehre zu vermitteln. Jesus selbst dürfte nicht in einer derart feindseligen und ausgrenzenden Weise geredet haben, zumal er ja selber Jude war. Der Ver­fasser wollte vermutlich Jesus zielgerichtet aus seinem jüdischen Umfeld herauslösen. Leider haben Bibelstellen wie diese bis in die heutige Zeit auch bei Christen zur Ausgrenzung An­dersdenkender, insbesondere von Juden, beigetragen. Statt der verhängnisvollen Verabsolu­tierung des Wahrheitsbegriffs wäre eine Einladung angebracht, Erkenntnis über die Wirklich­keit Gottes im Glauben zu gewinnen.

Jörg Klingbeil

TSA-Jugendsaal

In der Oktoberausgabe des Templer Talk beschreibt Harald Ruff einen Saal, den er mit jungen Mitgliedern und KonfirmandInnen gestaltet hat. Eine Teilnehmerin, Amelie Jule, fragte er, ob sie bereit sei, etwas Gestalterisches beizutragen, was sie begeistert bejahte. Ihre originelle Col­lage und ihre Gedanken dazu drucken wir hier ab.

Einleitend nahm Harald Ruff auch Bezug auf eine Konfirmandenstunde in Bentleigh, in der über eine zeitgenössische Version unseres Templer-Mottos gesprochen worden war: »Streben wir danach, das Beste zu sein, was wir sein können, und machen wir die Welt zu einem besse­ren Ort.« Oder wie Oliver Turner, einer der Konfirmanden in Sydney es ausdrückte: »Sei bes­ser, zum Besseren.«

Hierzu Harald Ruff: »Wir wissen, dass die Umsetzung unseres Mottos nicht leicht ist, son­dern etwas, das wir ständig anstreben und umsetzen müssen. Jede unserer Handlungen erfor­dert eine gewisse Überlegung - oder sollte es zumindest -, bevor sie ausgeführt wird, denn je­de wird eine Konsequenz mit sich bringen. Wir stehen ständig vor der Herausforderung zu überlegen: Welchen Weg gehen wir? Auf wen hören wir? Was hat Priorität? Welche Auswir­kungen wird es geben? Und so weiter.« Es sei darum gegangen, dass die jüngeren Mitglieder die Möglichkeit bekommen, ihre Ideen darzustellen, und die älteren, zuzuhören und zu erfah­ren, was für Änderungen sie sich erhoffen, was sie tun oder tun möchten und was ihnen so wichtig ist, dass sie hartnäckig daran bleiben wollen.

Nachdem Amelie zunächst nichts einfiel, hatte sie die zündende Idee, als es im Gespräch mit Harald darum ging, wie unterschiedlich das Engagement bei jedem Einzelnen ist und wie sich in leidenschaftlichen Diskussionen die Themen verändern und sich schließlich auf über­schneidende Fragen ausweiten können. Als ihr bewusst wurde, wie man mit allen möglichen Themen und Meinungen konfrontiert wird, wenn man eine Zeitung aufschlägt, kam ihr die Inspiration. Ihr wurde schlagartig klar, dass sie nicht nur für eine einzige Sache Leidenschaft hatte, sondern dass sie zu vielen Dingen Meinungen und Standpunkte hatte. So baute sie eine Collage als Metapher dafür zusammen, wie überwältigend und geistig anstrengend es sein kann, jeden Tag all die Schlagzeilen aus einer Zeitung zu verarbeiten. In die Mitte setzte sie eine Figur, die eine skurrile Darstellung für die Notwendigkeit symbolisiert, in seiner eigenen Realität auf dem Boden zu bleiben und mit der Erde, dem eigenen Leben und der persönlichen Reise verbunden zu bleiben.

Collage von Amelie Jule (Quelle: Templer Talk, Oktober 2023)
Quelle: Templer Talk, Oktober 2023

Zu ihrer Collage erklärte sie: Menschen können wie Zeitungen anhand ihrer Meinungen und Ansich­ten gelesen und beurteilt werden - und wie die Zei­tungen sind auch wir nicht jeden Tag gleich. Unsere Stimmungen verändern sich und an manchen Ta­gen sind wir negativ, an anderen sehr optimistisch gestimmt. Das erschwert es, jeden Tag das Beste von sich selbst zu sein, aber wir können um Hilfe bitten, diese annehmen und gut genug sein. Jeder Tag ermöglicht uns unterschiedlich stark, unsere Fähigkeiten zu entwickeln, um besser zu werden. Wir wollen versuchen, unser Bestes zu geben und die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Das bedeutet hohe Erwartungen, aber das Leben und die menschliche Leistung verlaufen nicht so linear. Die beste Version von sich selbst zu sein ist eine tägliche Aufgabe, aber es gibt ein Auf und Ab, keine ständige Verbesserung. Wir können nicht immer die absolut beste Version unserer selbst sein; manchmal ist ‚gut genug‘ das Beste, was wir erreichen können, und das ist auch in Ordnung.

Harald Ruff schloss seinen Beitrag mit der Ankündigung, dass die Collage in der Chapel angebracht werden solle, als Erinnerung einmal an die Lebendigkeit der Gemeinschaft und zum anderen an das Ziel, das sie sich gesetzt haben. Außerdem solle das eine Gelegenheit für alle sein, sich damit auseinanderzusetzen und selber einen Beitrag zu leisten, der auch seinen Platz in der Chapel finden könnte.

Karin Klingbeil

BUCHBESPRECHUNG

Die historischen Friedhöfe der Tempelgesellschaft

Nach der Ankündigung und nachfolgenden Herausgabe des doppelbändigen Werkes über die Templerfriedhöfe von Jakob Eisler und Ulrich Gräf war meine Neugierde groß. Deswegen kauf­te ich mir bei nächster Gelegenheit das umfangreiche doppelbändige Werk. Und es stellte sich als eine reiche Fundgrube heraus, nicht nur allgemein interessant im historischen Zusam­menhang, sondern auch als eine sich reich erschließende Quelle für familieninterne Nach­forschungen.

Der historische Friedhof der Tempelgesellschaft in Haifa (Quelle: Verein für Württembergische Kirchengeschichte)
Quelle: Verein für Württembergische Kirchengeschichte

Die sehr übersichtliche Struktur des Werkes, die Begleittexte, nicht nur zu den Friedhöfen, sondern auch zu den vielen einzelnen Gräbern und Grabsteinen, die vielen Abbildungen der Gräber erschließen nicht nur Templern und deren Angehörigen weitreichende Informationen zum Auswandern, Leben und Sterben der Templerfamilien im Heiligen Land. Was für eine ein­malig akribische Erarbeitung und Darstellung so vieler Einzelschicksale!

Bei meinem nächsten Besuch nahm ich das Werk mit zu meiner Schwester. Fast zwei gan­ze Tage saßen wir zusammen und arbeiteten uns begeistert durch die für uns besonders relevanten Seiten. Wir fanden Informationen nicht nur zu der Verwandtschaft in Haifa, Jerusa­lem und Sarona, sondern auch zu Grabstellen in Helouan. Und besonders überraschend war z.B. auch die Information über eine Verwandte aus der Familie Blaich, die ein Hotel in Beirut geführt hatte. So konnten wir, Dank des Werkes, einige Lücken in unserer Ahnenforschung schließen.

Ich meine, dass dieses lesenswerte Werk nicht nur eine Quelle reicher Informationen über die templerischen Familien darstellt, sondern darüber hinaus eine Anerkennung und Würdi­gung ihrer Leistungen im damaligen Palästina ist.

Einen ganz herzlichen Dank an die beiden Verfasser - verbunden mit dem Wunsch, dass ihre Arbeit in vielen Familien Eingang findet.

Info: Jakob Eisler/Ulrich Gräf, Die historischen Friedhöfe der Templer im Nahen Osten (1869 - 1948), Band 1: Templerfriedhöfe im Süden, Band 2: Templerfriedhöfe im Norden, Stuttgart 2023. 2 Bände im Schuber, 780 S. 79,00 EUR. ISBN 978-3-944051-23-9 (Band 1), ISBN 978-3-944051-24-6 (Band 2)

Wolfgang Blaich

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