Vierzehn Tage Israel, geprägt von Templergeschichte, kulturellen Unternehmungen, Besuchen historischer Stätten und Nationalparks dazuhin eine Unmenge Informationen durch Kommunikation mit Einheimischen - das alles hinterließ zunächst einmal Eindrücke im »Rohzustand«, die erst verarbeitet und geordnet werden mussten. So jedenfalls erging es mir und vielleicht auch dem einen oder anderen der weiteren Teilnehmer dieser Reise: Brigitte Hoffmann, Dieter Lange, Griddle Lange, Jörg Struve und, last but not least, die komplette Familie Klingbeil.
Friedhofsreise - Nomen est Omen. Vorrangiges Ziel und Zweck dieser Reise ist die Instandhaltung der Friedhöfe in Jerusalem und Haifa, wo wir dann auch den Löwenanteil der uns zur Verfügung stehenden Zeit verbrachten. Es wurde gerecht, gebuddelt, gepflanzt, geputzt und beschriftet bis die Bürsten und Pinsel rauchten und so mancher heiße Capuccino wurde zum Händewärmen zweckentfremdet. Wir orderten und setzten einen Grabstein für Joseph Kell, der zu Beginn der Kriegswirren in Jerusalem starb und begraben wurde, aber keinen Grabstein mehr gesetzt bekam.
Auch hatte sich hier ein Fernsehteam angesagt, das eine Dokumentation über die Templer im Heiligen Land drehte. Wir waren das Objekt ihrer Begierde, denn sie scheuten weder Mühe noch Kosten, unserer Spur bis Tabgha zu folgen, wo wir sie dann erfolgreich der Obhut von Helmut Glenk übergaben, der mit seiner Gattin Lorraine aus Australien angereist war und einige Tage mit uns verbrachte.
Unser Friedhof in Haifa war in einem sehr guten Zustand. Ein stolzer Adnan (Friedhofsgärtner) präsentierte uns 'seinen' Friedhof mit der frisch renovierten Friedhofshütte samt eingebauter 'Nasszelle' (Waschbecken und WC), so dass die Damen morgens in aller Ruhe literweise ihren Tee trinken konnten ohne hinterher in Verlegenheit zu geraten. Eine Einladung zum Abendessen beim Adnan-Clan nahmen wir dankend an. Zum Glück hatten wir Stefan dabei, denn es gab mehr als genug für jeden.
Ein Höhepunkt unserer Reise war der Besuch der Ausstellungseröffnung »Chronicle of a Utopia, die Templer im Heiligen Land«, im Eretz-Museum in Tel Aviv. Dr. N. Thalmann, bei dem wir am Nachmittag zum Kaffee eingeladen waren, schloss sich unserer Gruppe an. Die Ausstellung dokumentierte in übersichtlicher, detaillierter und informativer Art und Weise den Werdegang der Templer von den Anfängen auf dem Kirschenhardthof bis zur Internierung der letzten Siedler. Die modernen und großzügigen Räumlichkeiten waren dem Ansturm der geladenen Gäste kaum gewachsen, so groß war das Interesse. Auch hier war unser Fernsehteam wieder vor Ort.
Die Ausstellung kann noch bis 31. Juli besichtigt werden.
Zwischendurch führte unser Weg, vorbei an Jericho, nach Belvoir (dem Gefühl und der Strasse nach am Ende der Welt), zur Taufstelle am Jordan und weiter nach Tabgha, wo wir übernachteten. Am Abend kam Prof. Chaim Goren aus Rosh Pinna um sich mit uns zu treffen. Er erzählte uns vom Bau und Werdegang des historischen Pilgerhauses, das heute vom »Deutschen Verein vom Heiligen Lande« mit Sitz in Köln geführt wird und für diese Nacht unsere Unterkunft war.
Nachdem wir vergeblich auf dem »Berg der Seligpreisung« auf einen monumentalen Sonnenaufgang gewartet hatten (Aufstehen um 5 Uhr!!) der sich wegen hartnäckiger Bewölkung nicht einstellte, ging die Reise weiter: Brotvermehrungskirche, Petrus-Kirche, Nimrod und weiter Richtung Norden, bis wir den schneebedeckten Berg Hermon vor uns sahen. Zurück führte der Weg über Gamla weiter nach Haifa. Prof. Yossi Ben-Artzi empfing uns in der Uni Haifa und führte uns im Galopp durch das zur Uni gehörende Hecht-Museum.
Vor der Weiterfahrt zum Toten Meer besichtigten wir noch die Kolonien Sarona und Wilhelma. In der Juhe Massada bezogen wir Quartier. Von dort aus führte uns Jörg Struve auf eine unvergessliche Wanderung durch das »Wüstengebirge« mit seinen bizarren Landschaften.
Der Lohn für die schweißtreibende Wanderung bei gut warmen Temperaturen war nicht etwa ein Sprung ins kalte Wasser sondern ein Bad im warmen Toten Meer. Der folgende Tag war ganz Massada gewidmet. Am späten Nachmittag gings über Qumran zurück nach Jerusalem, wo wir die Arbeiten auf dem Friedhof beendeten.
Für einen Abend war noch ein Treffen mit Faten Mukarker arrangiert. Faten Mukarker ist christliche Palästinenserin und lebt mit einem Teil ihrer Familie (2 Kinder leben im Ausland) in Beit Jala, einem Nachbarort von Bethlehem. Sie fuhr mit uns zu ihren Weinbergen an den Hängen nahe Beit Jala und zeigte uns, wo künftig die Mauer verlaufen wird (der Verlauf wird willkürlich festgelegt, Grenzen werden gezielt ignoriert und es gibt keine Entschädigung für verlorenes Land). Ein Teil des mit Weinreben, Obst- und Ölbäumen bebauten Landes war bereits gerodet. Zwei einsame Wassertanks und zerfetzte Bewässerungsschläuche, die aus dem Boden ragten, waren die letzten Zeugen des ehemals fruchtbaren Landes. Sie fuhr mit uns durch das Cremisan-Gebiet, wo die Strasse auf offener Strecke abrupt endete, versperrt mit Felsblöcken. Wir wendeten und fuhren weiter nach Bethlehem (inzwischen war es Nacht geworden) zur sogenannten »Apartheitsmauer«. Durch sie wird die Trennung von Israelis und Palästinensern auch optisch vollzogen. Fassungslos stehen wir vor der 8 m hohen Mauer, Betonklotz an Betonklotz, sauber und ordentlich aneinander gereiht. Die Mauer soll einmal 700 km lang werden und wird dafür sorgen, dass die palästinensische Bevölkerung in Ghettos eingeschlossen wird. Beim gemeinsamen Abendessen erzählt Faten Mukarker eindringlich und einprägsam von ihrem spannungsvollen Alltag, was z.B. eine mehrwöchige Ausgangssperre und was Wasserrationierung bedeuten. Sie berichtet über die »verbotenen Strassen«, die von Palästinensern nicht befahren werden dürfen und wie die Gewalt Land und Menschen verändert.
Im März 2006 wurde in der »Zeit« folgender Artikel veröffentlicht: »Der Deutsche wird daran erinnert, dass es aus begreiflichen historischen und moralischen Gründen gerade hierzulande besonders schwierig ist, den Antisemitismus-Verdacht abzuwehren und die Berechtigung des palästinensischen Kampfes gegen die Besatzungs- und Repressionspolitik unvoreingenommen wahrzunehmen - seien die Palästinenser doch Opfer von Opfern.«