Der Jakobsweg - was ist das eigentlich, warum fasziniert er so viele, warum machen sich Menschen auf, den beschwerlichen weiten Weg zu gehen? Was suchen sie? Finden sie etwas?
Wolfgang Blaich gab uns am letzten gut besuchten Freitagabendtreff seine ganz persönliche Antwort darauf und er nahm uns mit auf diesen langen Weg. Die Bilder, die er uns zeigte, waren faszinierend und schön. Nur schade, dass man den Abend in den Clubraum verlegt hatte, dessen Atmosphäre ich sonst sehr schätze. Für die Zuschauer auf den hinteren Reihen hing die Leinwand einfach zu tief.
Der Überlieferung zufolge kam der Apostel Jakobus der Ältere (auf spanisch Santiago), der Sohn des Zebedäus, nach Spanien, um das Evangelium zu predigen und gelangte bis zur Mündung des Flusses Ulla. Bei seiner Rückkehr nach Palästina wurde er von Herodes Agrippa im Jahr 44 enthauptet. Seine Schüler beförderten den Leichnam in einem Schiff bis nach Iria Flavia, einem wichtigen römischen Hafen. Im nahen Wald Liberum Donum beerdigten sie die sterblichen Überreste des Apostels, wo sie über dem Marmorsarg einen Altar errichteten. Nach den Verfolgungen und dem Verbot, das Grab zu besuchen, geriet es in Vergessenheit. Ein Einsiedler entdeckte es 813 wieder. König Alfons II. ließ Jakobus zum Schutzpatron des Reiches ausrufen. Über dem Grab wurde zuerst eine Kapelle und später dann die Kathedrale gebaut, die das Ziel aller Pilgerwanderer nach Santiago de Compostela ist.
Wolfgang Blaich wies noch auf eine weitere Legende hin, von der sich der »Jakobseid« herleite: In der Schlacht von Clavijo, in der König Ramiro I. die maurischen Truppen bezwang, half ihm ein unbekannter Reiter zum Sieg. Es war der Apostel Jakobus der »Maurentöter«, der daher zum Patron der Reconquista erhoben und im Kampf um Hilfe angerufen wurde.
Vom 11. Jahrhundert an übte Santiago de Compostela auf die europäischen Christen eine starke Anziehungskraft aus und wurde zum Pilgerziel und Wallfahrtsort, zu dem Könige, Fürsten und Prälaten sowie große Scharen von Gläubigen zogen und die nach der mühevollen Wanderung mit Ablässen für verübte Sünden belohnt wurden. Doch gab es auch die Möglichkeit, einen Ärmeren zu schicken, der für den Reuigen die Mühsal des Weges übernahm und ihm danach den Ablass zurückbrachte.
Soweit die historischen Erkenntnisse. Wie war es nun bei Wolfgang Blaich? Lange schon war der Wunsch in ihm gewesen, diesen Weg einmal zu gehen. So machte er sich nach seiner Pensionierung zusammen mit einem Freund im französischen St. Jean Pied de Port am Fuße der Pyrenäen auf den Weg. Viel hatten sie nicht dabei, trotzdem war das Gepäck, das sie mit sich trugen, schwer. Auf den »bordón«, den traditionsreichen Wanderstab, hatten sie verzichtet, dafür sich mit modernen Walkingstöcken ausgerüstet. Die Jakobsmuschel (viera), das eindeutige Zeichen ihres Vorhabens, hatten sie sich angeheftet und nun folgten sie dem mit dem Muschelzeichen ausgeschilderten Weg, dem Camino.
Es ist mir natürlich nicht möglich, den ganzen Weg nachzuzeichnen. Aber wir vermeinten die Strapazen beim Überqueren der Pyrenäen am 1300 m hohen Cisa Pass selbst zu spüren und waren wie die Wanderer von der Mühsal des Aufstiegs befreit, als wir den herrlichen Blick hinunter in die Täler tun durften. In 7 Etappen (ca. 200 km) wurde der Weg über Pamplona nach Logroña bewältigt, das inmitten ausgedehnter Weinfelder liegt.
Besonders beeindruckt war ich von den zahlreichen Bildern romanischer Kirchen. Eine Vielfalt tat sich uns auf. Nennen möchte ich zwei kleine acht-eckige Kirchen, beide der Mutter Maria geweiht, die eine »Eunate« in den Feldern liegend, die zweite im Städtchen Torres del Rio »Kirche zum Heiligen Grab«, beide, so die Meinung Wolfgangs, vom Tempelritterorden erbaut und jede ein Kleinod.
Die Freunde haben dann den mittleren Teil des Weges von Logrono bis León mit dem Bus überbrückt, ließen sich aber Zeit für die Besichtigung von Burgos mit seiner herrlichen gotischen Kathedrale. Die letzten 200 km von Villafranca del Bierzo bis Santiago de Compostela ging es dann wieder auf Schusters Rappen weiter - man muss die allerletzten 100 km zu Fuß zurücklegen und dies durch Stempel nachweisen, wenn man die Bescheinigung über den aus religiösen Gründen zurückgelegten Weg die »Compostela« erlangen möchte.
Was hat es Wolfgang Blaich nun gebracht? Er beantwortet es so:
»Abstand vom Alltag und vom Beruf, auch von der Familie, d.h. die Möglichkeit mich ganz auf mich zu konzentrieren. Bescheiden werden, mit wenig auskommen, dann aber auch das geforderte Durchhalten erbringen zu können. Wichtig waren mir die Begegnungen mit den verschiedensten Menschen aus vielen Ländern.
Gefunden habe ich Stätten der Ruhe, der inneren Einkehr und die Erlangung von innerer Harmonie.
Das Bewusstsein, auf einem Weg zu gehen, den schon Hunderttausende vor mir gegangen sind, überwiegend getragen von einem Glauben an ein Ziel, das eher innerlich im Menschen zu suchen ist als in den Gebeinen des heiligen Jakobus, hat mich geprägt.«
Die Spende von 110,15 Euro, die anlässlich der Veranstaltung zusammen gekommen ist, geht an »Ultreia, Verein zur Förderung der mittelalterlichen Jakobswege« zur Pflege der Station in Faba.