Wie sich am zweiten Oktober-Sonntag den Organisatoren zeigte, hat unser Templer-Dankfest bis heute nichts von seiner bisherigen Anziehungskraft verloren: Mit über 50 Teilnehmern verzeichneten wir eine größere Beteiligung als an anderen Gemeinde-Versammlungen dieses Jahres. Auch von entfernteren Orten waren Besucher und Mitglieder gekommen,
wie zum Beispiel Fritz Hofer mit seiner Frau Kristina aus Chemnitz und Martin und Jutta Schreiber aus Bad Hersfeld. Die von unseren »Künstlerinnen« auf der Saal-Bühne aufgebaute Erntepracht an Blumen und Früchten ließ den Raum in allen Farben erstrahlen.
Die musikalische Gestaltung hatten Rumi Hornung, Klavier, und als Gast Alfred Eissele, Oboe, übernommen. Den Anwesenden bot sich auch die Gelegenheit, sich selbst beim Mitsingen mehrerer Lieder in die festliche Musik einzubringen. Die Dankfestansprache hielt Gebietsleiter Jörg Klingbeil über Jesu Rede von der Selbstgerechtigkeit im Gleichnis von Pharisäer und Zöllner (Lk 18,9-14). Dabei machte er deutlich, dass Jesus weniger an der Frömmigkeit des Pharisäers auszusetzen gehabt habe als vielmehr an dessen innerer Einstellung, die sich in der Beziehung zu Gott vor allem auf den abwertenden Vergleich mit anderen stützte. Gegen ein solches Verhalten seien wir auch nicht gefeit; dagegen könne aber immer Demut helfen.
Zu unserer Freude war wieder ein Kleinkind zur Darstellung gebracht worden, es war die kleine Tochter Tatjana von Dimitrij und Kasiet Weber, die zusammen mit den Eltern Weber ein Stockwerk unseres Gemeinde-Wohnhauses bewohnen.
Karin Klingbeil sprach die Wünsche der Gemeinde für ein gesundes Gedeihen des Kindes aus und endete nach alter Weise mit den bekannten aaronitischen Segensworten. Die Gemeinde sang dazu »Herr, dieses Kind dir dargebracht, du hast es uns gegeben, nicht als Besitz, nur als ein Pfand, wir legen es in deine Hand und bitten um den Segen«.
Das von fleißigen Händen zubereitete Mittagsmahl fand wegen der größeren Teilnehmerzahl und der kühlen Witterung diesmal im Saal statt. Deshalb waren dazu Tische aufgestellt worden, die nach dem Gottesdienst und der anschließenden Pause mit Besichtigung und Kaufmöglichkeit der kunstgewerblichen Gegenstände des Bastelkreises gedeckt und mit vielen schmackhaften Speisen beladen wurden, was allgemein große Anerkennung fand. Ich werte diese mit eigenen Kräften zubereitete gemeinsame Mahlzeit als eine nicht hoch genug einzuschätzende Leistung unserer nach Mitgliedern doch recht kleinen Gemeinde. Erfreulich viele der Anwesenden halfen dem Küchendienst beim Auftragen und Abräumen. Hoffen wir, dass ein solcher Gemeindedienst mit allen seinen Verrichtungen am Dankfest noch weiterhin möglich sein wird, auch wenn die Hauptlast der Vorbereitungen in der Regel nur von einigen wenigen Mitgliedern getragen wird.
Ehe dann am Nachmittag zur Kaffee-Unterhaltung und dem Genuss der vielen mitgebrachten Kuchen übergegangen werden konnte,
gab es noch ein besonderes Programm. Es war unserer Gemeinde-Verwaltung in Stuttgart gelungen, kurzzeitig eine Kopie der Bild-Präsentation unserer australischen Freunde von ihren Gedenkveranstaltungen zum Jubiläum »75 Jahre Templer in Australien« zu erhalten, sodass diese Bilder nun auch den Templern in Deutschland gezeigt werden konnten.
Karin Klingbeil hat nicht nur rechtzeitig die Beschreibungen der Bilder auf elektronischem Weg von den dafür zuständigen TSA-Verantwortlichen Doris Frank und Renate Weber erhalten können, sie hat sich auch die Mühe gemacht, am Nachmittag die Erklärungen zu jedem Bild ins Deutsche zu übersetzen und damit die Bilder für die Zuschauer lebendig werden zu lassen.
Es gab dabei viele Bilder, auf denen Gruppen von Templern zu sehen waren, sei es bei Konfirmationen, Darstellungen, Trauungen und anderen Veranstaltungen - die gezeigten Personen darauf waren uns hier verständlicherweise nicht so bekannt wie unseren australischen Freunden, doch sie vermittelten uns einen Eindruck, wie das Gemeinschaftsleben damals trotz vieler Behinderungen und Schwierigkeiten mit Gründung der TSA 1950 neu begann und die alte Gemeinde-Tradition erfreulich gut fortgesetzt werden konnte.
In der Zahl der TSA-Angehörigen sind im Laufe der Jahre mehrere Veränderungen erfolgt: durch die Deportation auf der »Queen Elizabeth« ins Internierungslager Tatura 1941 waren damals 536 Templer erstmalig nach Australien gekommen, von den restlichen noch in Palästina verbliebenen und 1948 von den Briten nach Zypern verbrachten Mitgliedern hatten dann 260 Personen die Entscheidung getroffen, nach Australien weiterzureisen, denn die Möglichkeit einer Rückkehr in die Siedlungen war ausgeschlossen worden. Eine große Anzahl von Templerfamilien wanderten zudem noch Anfang der 1950er Jahre aus Deutschland nach Australien aus, nachdem ihnen hierfür Einreisegenehmigungen erteilt worden waren. So kam es, dass die TSA bereits im Jahr 1956 1300 aktive und passive Mitglieder zählte.
Die Bilder an der Leinwand veranschaulichten die nach der Freilassung aus der Internierung entstandene Entwicklung: die Niederlassung der aus ihren Siedlungen Vertriebenen an mehreren Orten im Land, der Erwerb des ersten Verwaltungs- und Gemeindehauses in East Malvern, der Bau des ersten Gemeindesaals in Boronia, das erste Sommerfest in Bayswater, die frühen Ferienlager für Kinder und Jugendliche am Meer, die aus persönlichen Initiativen entstandene Jugendgruppe und die Bildung anderer Gemeindekreise, wie zum Beispiel Frauenverein oder Templerchor, die Gründung eines Altenheims mit der späteren Erweiterung zum Pflegeheim TTHA, und so weiter. Es können hier nur einige wenige Beispiele für dieses neue Gemeinschaftsleben genannt werden.
Ich denke, dass die Bildpräsentation am Nachmittag unseres Dankfestes vor allem unsere Verbundenheit mit den Freunden auf dem fünften Kontinent und unsere Dankbarkeit für die ihnen gebotenen Wege zeigen sollte. Für die Templer, denen durch den Verlust ihrer Siedlungen in Palästina zunächst jeder Mut und jede Hoffnung genommen worden war, hat es mit der Freilassung aus der Internierung im fremden Land eine neue Chance gegeben. Und sie haben diese wahrgenommen. Eine neue Zeit war damit für sie und ihre Familien angebrochen.