Wenn auch nicht ausdrücklich avisiert, war der heutige Sonntag für viele zunächst mal eine Art Einweihung des Saals. Manche Details waren schon früher zu begutachten, aber das Gesamtbild bot sich erst jetzt in voller Pracht, passender wohl: Zurückhaltung.
Die 50er-Jahre-Glasfenster spiegeln sich kongenial in den Deckensegmenten, die christlichen »essentials« blenden je nach Lichteinfall und Standpunkt an der Wand ein und aus (Belsazar lässt grüßen). Grau- und Beigetöne unterstreichen das edle Understatement. An unsichtbarer Technik wurde nicht gespart und selbst das alte Parkett brachte man so weit, dass Schuh- und Stuhlspuren eines halben Jahrhunderts verschwunden waren. Bravo allen Beteiligten!
Die Sonne schien großzügig herein, wie so oft beim Dankfest und beleuchtete die festlich hergerichtete Bühne. In diese an sich schon feierliche Herbststimmung hinein spielte Rumi Hornung nun ein wunderschön-passendes Chopinstück...
Am neuen Pult und Mikro (das nun nicht mehr immer wieder in sich zusammensackt) eröffnete Peter Lange das Dankfest. Naheliegendes Thema: Dank und danken. Je nach Blickwinkel findet man dankenswertes oder aber beklagens»wertes«. Wobei letzteres eben nichts wert ist. Selbst für die Fähigkeit dankbar zu sein, könnte man natürlich danken. Für manchen klingt dies allerdings schon ein bisschen sophistisch.
Diesmal war wieder ein Baby zur Darstellung gebracht worden, was Peter zu einigen Bemerkungen in Sachen Erziehung nutzte. Wie jeder lebende Organismus ist ein Kind mehr als nur die Summe seiner Einzelteile. Diese Einsicht, dass eine höhere Macht »die Finger mit drin hat«, enthebt die Eltern aber doch nicht der Verantwortung, das junge Geschöpf zu lenken. Und lenken heißt natürlich neben dem Gewährenlassen auch zurechtweisen und damit Freiheit einschränken. Dies sollte aber nach einem erzieherischen Konzept erfolgen, also nicht wahllos und »spontan«.
Bei der Frage, wie sich das Glück des Kindes am ehesten erreichen ließe, galt bei den (frühen) Templern die Formel gut = glücklich, wobei mit »gut« rechtschaffen und nächstenlieb gemeint war. Gut (erzogen) und glücklich standen nicht im Wettbewerb sondern ergänzten sich. Das gilt natürlich auch heute noch, wird aber doch selten ausprobiert.
Dann die spannende Darstellung selbst ...wenn der Onkel seine große Hand über mich hält... Wie wird das Baby, das immerhin schon eine halbe Stunde »brav« sein musste, reagieren? Nicht gerade begeistert, aber doch duldsam und sichtlich erleichtert und erfreut, als nach oben wieder alles frei war. Ein forscher Blick in Richtung Gemeinde war auch drin.
Liebe ist eines der Güter, das sich nur durch Weitergabe vermehrt, eine Anhäufung zum Eigenbedarf ist nicht möglich. Genervte Eltern mögen bisweilen mit dieser Formel ihre Schwierigkeiten haben, aber auf längere Sicht sie doch bestätigen können.
Wieder sehr passend zum Thema spielte Rumi ein Stück aus Debussys Children's Corner.
Nun waren wir sehr gespannt auf die Ansprache von Otto Hammer, die sich mit der Bibelstelle »Jesus - Marta und Maria« befassen sollte.
Die Geschichte, die Lukas erzählt, ist kurz und lakonisch: Auf der Durchreise in deren Ort, wird Jesus ins Haus von Marta und Maria eingeladen.
Marta kommt den Gastgeberpflichten nach, Maria lauscht dem Gast. Immerzu nur in der Küche zugange, beschwert sich Marta schließlich bei Jesus: »Sag ihr doch, sie soll auch mithelfen«. Das sei ungerecht, man könne schließlich gemeinsam die Hausarbeit schneller erledigen und dann auch gemeinsam zuhören. Aber nein, Jesus befand »Maria hat das Bessere gewählt, es soll ihr nicht genommen werden«. Dieser Meinung war Marta sicher auch.
Es ist dies wohl als Parabel aufzufassen, die die Priorität des Hörens/Lernens vor dem Handeln illustriert. Die Frage, wozu leben wir (Sein) muss vor der Frage wovon leben wir (Tun) geklärt werden.
Otto verwies darauf, dass in den frühen Tempelgemeinden der Priorität des Hörens/ Lernens voll genüge getan wurde. Man war des Glaubens wegen ausgewandert, baute bei jeder Neusiedlung als erstes das Gemeindehaus, um dort Jesu Worte zu hören. Nachfolgende Generationen konzentrierten sich dann auch auf das Tun. Darin lag das »Geheimnis« (s. u.) des bis heute bestaunten Erfolgs der Tempelgemeinden.
Was die Priorität des Hörens/Lernens angeht, trifft das auf uns heutzutage nicht mehr zu. Wir sind nur noch Macher, man könnte überspitzt sagen "auf Teufel komm raus". Da müssten die Prioritäten wieder zurechtgerückt werden.
Templer-Lied, Gebet, Segen, musikalischer Ausklang, wieder mit Chopin.
Danach gab Brigitte Hoffmann ihren Verzicht auf eine erneute Kandidatur als Gebietsleiterin bekannt und stellte ihren Nachfolger, Wolfgang Blaich, vor. Außerdem waren die Mitglieder der Gebietsleitung neu gewählt worden. Den ausscheidenden Mitgliedern dankte sie für deren Einsatz während der drei Jahre.
Nun trat Jörg Klingbeil ans Pult und beendete die brotlose Zeit: Essen fertig! Grüner Salat, Leberkäs mit Soße an Nudeln und/oder Kartoffelsalat, Nachtisch. Es schmeckte wieder, als hätte man gerade einen Tagesmarsch hinter sich gebracht. Danke an alle Helfer!
Das Nachmittagsprogramm begann mit dem »Brüder, singt ein Lied der Freude« nach der Melodie der 9ten mit der Tücke beim Übergang von der 3. zur 4. Zeile.
Nun stellte Peter die folgende israelische Filmdokumentation vor: »The Templer Secrets in Tel-Aviv« - Sarona und der Denkmalschutz.
Die Grundstückspreise sind horrend, die Templer-Häuser fast bis zur Unkenntlichkeit herabgewirtschaftet, und trotzdem werden sie, von Ausnahmen abgesehen, nicht abgerissen, sondern vorbildlich renoviert, ja sogar außen wie auch innen in den Originalzustand zurückversetzt. Teilweise auch in öffentliche Parks integriert. Am Beispiel eines Hauses, das dem Verkehrsfluss ein Hindernis war, demonstriert: es wird etliche Meter »verschoben«. Ein delikater Vorgang, dessen Fortschritt pro Tag nur wenige Meter beträgt. Eigentlich ein schönes Symbol für die templerisch-israelische Beziehung: Respekt und Fingerspitzengefühl und versetzte Häuser.
Die Darstellung der ebenfalls ausgebreiteten Nazizeit ließ manches Stöhnen im Publikum aufkommen, war aber erstaunlich »zahm« und wenig gehässig. Ja, die Ermordung des letzten Bürgermeisters von Sarona, Gotthilf Wagner, wurde gar als unentschuldbares Verbrechen gebrandmarkt. Da fällt es einem leichter, über manche Ungereimtheiten in der Nazi-Aufarbeitung hinwegzusehen.
Und die »Secrets«? Na ja, da war der Titel ein wenig aufgebauscht. Wer da etwas à la »Das Sakrileg« erwartet hatte...
Vielleicht war die Existenz der Templer in der israelischen Öffentlichkeit so etwas wie ein Geheimnis, weil unbekannt? Für uns hat sich nur ein Geheimnis gelüftet: Die Goldmünzen in der Wand des Hauses von Hugo Wennagel gab es tatsächlich, der Schatz wurde gehoben und dem damaligen Besitzer zurückgegeben. Für ihn war das eher ein Wunder.
Der Film endete mit der Feststellung, dass das Schicksal der Templer und das der Israelis verwoben sei. Ein salomonischer Schlussakkord, dem jeder zustimmen kann.
Der Vorhang hob sich lautlos, die Sonne schien immer noch, wir waren wieder wohlbehalten in Degerloch angekommen.
Die anschließende Kaffeetafel gab nun freie Bahn, das Gehörte und Gesehene aus den verschiedensten Blickwinkeln zu beleuchten und mit anderen zu diskutieren.
Eine wahrlich runde Veranstaltung, dieses Dankfest 2007.