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Beisan - die vergessene deutsche Siedlung

Der israelische Architekt Dr. Danny Goldman hat vor kurzem eine aktualisierte Abhandlung mit dem Titel "Beisan: The Forgotten German Settlement" veröffentlicht. Darin geht es um die in den 1920er-Jahren errichtete kleine landwirtschaftliche Siedlung im Jordantal südlich von Beisan (hebr.: Bet Shean).

Die Möglichkeit zum Landerwerb hatte sich ergeben, nachdem die britische Mandatsverwal­tung ehemals osmanisches Staatsland an arabische Interessenten veräußert hatte und diese in finanzielle Schwierigkeiten geraten waren. Dadurch konnten auch einige deutsche Siedler (Templer und Nicht-Templer) günstig landwirtschaftliche Flächen erwerben, die in den beste­henden Kolonien bereits knapp und teuer geworden waren. Wieviel Land gekauft wurde, ist nicht ganz klar; die Angaben schwanken zwischen 200 und 400 Hektar. Vier Siedler errich­teten Häuser, aber nur zwei (Erwin Kopp und Rudolf Wieland) lebten dort für längere Zeit. Insofern handelte es sich eher um eine Ansammlung einzelner Farmen als um eine reguläre Siedlung. Das »Rote Haus« von Rudolf WielandDie deutschen Landwirte pflanzten ver­schiedene Obstbäume, Dattelpalmen und sogar Pi­stazienbäume, Olivenbäume und Bananenstauden. Getreideanbau und Viehhaltung kamen hinzu. Einer versuchte es sogar mit dem Anbau von Baumwolle.

In den 1930er-Jahren verschlechterte sich die Si­tuation aufgrund wachsender Spannungen zwi­schen Juden, Arabern und Briten. Trotz eines in der Nähe eingerichteten britischen Polizeipostens kam es in der Gegend immer wieder zu Schießereien. Schließlich drängte der deutsche Konsul zur Auf­gabe der Siedlung, weil er die Sicherheit der Bewohner nicht gewährleisten könne. 1938/39 kam es trotz Widerstands der Partei zum Verkauf von Land und Gebäuden an den Jüdischen Nationalfonds (JNF/KKL). Das Gebiet gehört heute zu den beiden Kibbuzim Sde Eliyahu und Tirat Zvi, in deren Archiven sich noch etliche Unterlagen aus der damaligen Zeit befinden. Die Häuser der Deutschen wurden im Zweiten Weltkrieg abgerissen; ihre Bauweise wurde aber später teilweise von jüdischen Siedlern im Jordantal übernommen, wo die Temperaturen im Sommer oft über 40 Grad Celsius klettern. Insbesondere das »Rote Haus« von Rudolf Wieland mit einem aufgeständerten Dach, das für gute Luftzirkulation sorgte und die Haus­wände komplett verschattete, fand in der Architektur des Landes einige Nachahmer. Nach Ansicht von Danny Goldman waren die Beziehungen zwischen den Deutschen und ihren jüdischen Nachbarn freundschaftlich und kooperativ. Man habe Ideen und Erfahrungen in Landwirtschaft und Bauweise ausgetauscht, aber auch von den arabischen Bewohnern des Jordantals gelernt, wie man mit dem heißen Klima zurechtkommt. Die deutschen Siedler hätten sich als anpassungsfähig und innovativ erwiesen und damit für ihre Umgebung ein Beispiel gegeben. Heute erinnert nur noch eine lange Reihe von Washingtonia-Palmen an einer Straße in Sde Eliyahu an den letzten Siedlungsversuch der Templer in Palästina.

Jörg Klingbeil

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