Die Warte des Tempels

Monatsschrift für offenes Christentum

Ausgabe 170/5 - Mai 2014

 

 

»Die Bibelfälscher« - Angst vor der Aufklärung? - Joachim Kügler

Geleitet an der Gotteshand - Peter Lange

Philipp Matthäus Hahn - Erika Krügler

Ein Fluss jenseits von Eden - Anwar Abu-Hamnmour

Konsum für die Müllhalde - Jörg Klingbeil

»Die Bibelfälscher« - Angst vor der Aufklärung?

In seinem Buch »Die Bibelfälscher« rechnet der Neutestamentler Klaus Berger mit der histo­risch-kritischen Bibelauslegung ab. Doch ohne kritische Vernunft überlebt der Glaube nicht.

Einen »Aufschrei« nennt der katholische Neutestamentler Klaus Berger sein neues Buch »Die Bibelfälscher - Wie wir um die Wahrheit betrogen werden«. Es ist eine gnadenlose Abrech­nung mit der historisch-kritischen Bibelauslegung, wie sie von der großen Mehrheit der katholi­schen und evangelischen Exegeten betrieben wird.

Diese Forschung, so Bergers Anklage, zersetze den Glauben, verfälsche die biblische Wahrheit und ersetze Theologie durch Anthropologie. Mit ihrem Geschäft einer Entmytholo­gisierung der biblischen Erzählungen betreibe sie letztlich das Geschäft der Atheisten. Berger beharrt darauf, dass die Bibel vielfach historische Tatsachen schildere - angefangen von der Jungfrauengeburt über die Wunder Jesu bis zur Auferstehung samt leerem Grab.

Ich halte die Kritik Bergers für substanzlos und vormodern. Es ist nicht zu übersehen, dass sich in seiner Polemik - wie unpräzise auch immer - ein Unbehagen an der modernen Bibel­wissenschaft ausdrückt, das längst nicht mehr nur das römische Lehramt bewegt, sondern auch weite Teile des Kirchenvolks erfasst hat - in den USA ohnehin schon lange und in Europa mehr und mehr...

Joachim Kügler

 

Dieser Artikel ist für die Internetausgabe der »Warte« leider nicht freigegeben. Lesen Sie den vollständigen Artikel in der gedruckten Ausgabe der »Warte« oder in »Publik-Forum«, kri­tisch - christlich - unabhängig, Oberursel, Ausgabe 10/2013, Seite 32.

BIBELWORTE - KURZ BETRACHTET

Geleitet an der Gotteshand

»Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen; der Name des Herrn sei gelobt!« - diese Worte ruft Hiob klagend aus, als er die Nachricht vom Verlust seines Hauses und seiner Viehherden, vom Tod seiner Knechte und seiner Kinder erfahren hatte. Es ist ein Zitat, das uns auch heutzutage hin und wieder begegnet, wenn es um Schicksalsschläge geht, die getragen und hingenommen werden müssen (Hiob 1,13-21).

Wenn wir selbst betroffen wären - würden wir ebenso reagieren wie Hiob? Würden wir bei einem Unheil nicht eher denken: Es ist doch nicht der Herr, der es verursacht hat, es ist viel eher menschliche Schuld, eigene Unzulänglichkeit oder Naturgewalt, was uns »in die Quere kommt«! Wir können doch nicht für alles Leid, das die vielen Millionen Menschen auf der Erde trifft, Gott verantwortlich machen, so als ob er jederzeit in die Vorgänge auf der Erde eingreifen und Hindernisse beseitigen müsste.

Und trotzdem bewundern wir zum Beispiel unsere Vorfahren in den früheren Tempelsiedlungen im Heiligen Land, die den Tod von Angehörigen, vor allem den von Kindern, mit bewundernswerter Glaubensstärke getragen haben. Aus vielen ihrer Trauernachrichten spricht ihre Zuversicht, dass Gott allein die Stunde weiß, zu der der Mensch zu ihm gerufen wird.

Doch diese Gelassenheit haben wir von unseren Vorfahren meist nicht mehr übernommen. Wir suchen viel eher nach Gründen, weshalb uns dieses oder jenes Unheil getroffen hat. Wir sehen uns in dieser Hinsicht nicht mehr »unter dem Schirm des Höchsten sitzen«, wie es in Psalm 91 so wunderbar dichterisch ausgedrückt ist. Wir wollen nicht Gott dafür anklagen, dass unser Leben nicht auf ebener Bahn verläuft, wir möchten viel eher etwas dazu beitragen, dass Unheil in der Welt weniger wird.

Von Aussage »Der Herr hat's genommen...« fühle ich mich nicht angetan, viel eher mit dem »Der Herr hat's gegeben«. Auch wenn Hiob sich verflucht, dass er wegen seines Leids nicht schon bei der Geburt gestorben ist, sagt er später: »Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Schlimme nicht auch annehmen?«

Einer unserer Templer-Vorfahren, Gotthilf Hornung, hat sein Leben »an der freundlichen Leitung einer Gotteshand« gesehen. Es sei »das Geheimnis eines Lebens aus göttlichen Tiefen und des Leidens hohe Wissenschaft, dass es uns, wie alles, wodurch uns Gott täglich und stündlich anspricht, zum Besten dienen muss.« Diese Gottesschau beeindruckt mich, denn sie sagt, dass wir von Gott gewollt und gemeint sind. Sie geht tiefer als die Klage Hiobs. Gott ist nicht Verursacher unseres Leids, aber Begleiter.

Peter Lange

Philipp Matthäus Hahn

Zum 275. Geburtsjahr des »Mechaniker-Pfarrers«

Geboren am 25. November 1739 in Scharn­­hausen, gestorben am 2. Mai 1790 in Echterdingen. Philipp Matthäus Hahn ist mir, als Esslingerin, seit meiner Jugend bekannt als der »Mechanikerpfarrer von Echterdingen.«

Als Sohn und Enkel evangelischer Pfarrer erhielt er schon ab seinem 4. Lebensjahr von diesen nach Humanistentradition neben Rechnen, Lesen und Schreiben auch Unterricht in Latein, Griechisch und Hebräisch. Trotz guter Leistungen und bestandenem Landexamen bekam Hahn kein Stipendium und musste nun den weiten, ungefähr zweistündigen Weg zur Lateinschule in Esslingen, sommers und winters zu Fuß gehen. Philipp Matthäus HahnAm Rande der Esslinger Altstadt, wenn man vom Bahnhof in Richtung Marktplatz über die Agnesbrücke geht, kommt man unweigerlich an der Lateinschule vorbei, die Philipp Matthäus Hahn in seiner Jugend besucht hat. In dem vom Landkreis Esslingen, vertreten durch Landrat Dr. Hans Peter Braun, herausgegebenen Buch »Der Kreis Esslingen« erfahren wir, wie er in seiner selbst erzählten Jugendgeschichte berichtet, dass er einen »lebensentscheidenden Anstoß« schon als Dreizehn­jähriger erhielt, als ihm ein Jugendfreund, der Schuhmacher und Geometer Gottlieb David Kandler, ein »Schriftchen« über Sonnenuhren zum Abschreiben lieh. Kandler war Pietist und Mathematiker, Hahn wurde ein pietistisch gestimmter Menschen­freund und Zeitberechnender und Erfinder. Hans-Dieter Frauer schreibt: in »Das schwäbische Paradies« (2009): »Schon in der Lateinschule in Esslingen fiel Hahns ungewöhnliche mathematisch-naturwissenschaftliche Begabung auf, aber weil Gott ihm von Jugend auf eine unüberwindliche Lust zum Studio Theologico eingeflößt hatte«, lehnte Hahn den Eintritt in das herzogliche Ingenieurcorps wie auch weitere Angebote des Herzogs ab.

Von Onstmettigen aus, wo sein Vater eine Pfarrstelle hatte, bereitete sich Hahn auf sein Philosophie- und Theologiestudium vor, das war gar nicht einfach; er erwarb sich gleichzeitig im Selbststudium Kenntnisse in den damaligen mechanischen und mathematischen Wissen­schaften. Mit 17 Jahren konnte er sein Studium in Tübingen antreten, durch das er sich buchstäblich hindurchhungern musste, da er keinerlei finanzielle Unterstützung bekam. Schon damals hat er mit seinen Erfindungen auf sich aufmerksam gemacht und sich finanziell über Wasser gehalten.

Nach seinem Examen begann eine unruhige Zeit bis zum Antritt seines ersten Pfarramtes. Diese Zeit verbrachte er als Hauslehrer oder Vikar im Kloster Lorch, in Dörfern auf der Alb, in Herrenberg und in Pfäffingen. 1764 erhielt er seine erste feste Pfarrstelle in Albstadt-Onst­mettingen in dem ungewöhnlich jungen Alter von 25 Jahren. Hahn wurde in Onstmettingen nicht nur eine vorbildliche seelsorgerische Tätigkeit bescheinigt, er führte Besuchsdienste ein und hatte auch dazu beigetragen, dass die »Privaterbauungsstunden« mit der Zeit in nichttheologische Hände gegeben wurden, und er hat den Pietismus gefestigt.

Neben seinen Aufgaben als Seelsorger beschäftigte Hahn sich mit seinen »technischen Erfindungen.« Schon immer war er interessiert am Bau von Sonnen- und Monduhren, Fernrohren und Mikroskopen. In seiner Zeit in Onstmettingen erfand er mit Hilfe seines Freundes, des Schulmeisters Schaudt, der ihn in technischen Dingen unterstützte, die Neigungswaagen, die dazu beigetragen haben, dass aus dem kleinen, ungünstig gelegenen Ort ein Zentrum der Waagenindustrie wurde. Hans-Dieter Frauer schreibt in seinem Buch: 1914 wurden 80 Prozent aller Eichungen im deutschen Reich in Onstmettingen vorgenommen und Waagen in alle Welt geliefert, heute noch arbeiten über 2000 Menschen im Zollernalbkreis in der Waagenindustrie. Hahns astronomische Uhren, unter denen er eine besonders große für die herzogliche Bibliothek im Schloss Ludwigsburg baute, sollten die Harmonie und Vollkommenheit der Schöpfung Gottes deutlich machen. So zeigen sie nicht nur den Stand von Sekunde, Minute und Stunde, den Wochentag, den Monat und das Jahr an, sondern auch den Stand aller damals bekannten Planeten.

Hahn wurde 1770 nach Kornwestheim versetzt, hier fühlte er sich das erste Mal frei von materiellen Sorgen; er hatte für sich und seine Familie ein großes Pfarrhaus, hier gab es Platz für eine eigene Werkstatt, hier entwickelte er seine erste serienreife Rechenmaschine.

Um seine Pläne in die Tat umzusetzen, beschäftigte er seine Brüder, Söhne und Gesellen, welche die mechanischen Teile anfertigten. Hahn erlangte mit seinem technischem Schaffen einen Ruf weit über die Landesgrenzen hinaus. 1777 besuchte Kaiser Josef II. Stuttgart und ließ sich Hahns Arbeiten vorführen, 1779 besuchte ihn Goethe. Hahns Arbeitstag begann oft schon früh um 3 Uhr, um überhaupt alle seine Ideen irgendwie zu bewerkstelligen.

Hahn litt sehr oft unter seiner vielseitigen Begabung und es war nicht immer gut mit ihm auszukommen, er war ein großer Ordnungs- und Arbeitsfanatiker und verlangte von seiner Umwelt das gleiche.

Doch hier in Kornwestheim beschäftigte er sich besonders viel mit theologischen Aufsätzen, gern gelesen wird bis heute sein 1774 erschienenes Predigtbuch. Besondere Bedeutung hatte für ihn der Epheserbrief, und 1777 erschien von Hahn eine eigene Übersetzung des Neues Testaments. Die von Hahn gehaltenen Erbauungsstunden waren immer sehr stark besucht, sogar von vielen auswärtigen Pietisten. Hahn hatte das Verlangen, auch selbst zu den »Stunden« in den Nachbargemeinden zu gehen. In dem Buch von Dietrich Steck über »Beate Paulus« (Tochter von Philipp Matthäus Hahn und Enkelin von Pfarrer Flattich) steht: Hahn fühlte sich in seinem ganzen Wirken, aber auch in seinem Hingehen zu den Menschen als ­Nachahmer seines Herrn Jesus. Wie dieser in Galiläa umherging, predigend, heilend, Jünger berufend und ein Netz von Verbindungen knüpfend, so sah sich Hahn umhergehen, predigen, erwecken, heilen, den göttlichen Samen in die Seelen ausstreuen.

Die Herausgabe seiner Schriften fand bei der Kirchenbehörde nicht immer Beifall, 1780 wurde er wegen Verstößen gegen das Zensurverbot gemaßregelt, ihm wurde sogar teilweise »Irrlehre« vorgeworfen; er hatte wegen der strengen Zensur auch Schriften im Ausland herausgegeben.

Von 1781 bis 1790 war Philipp Matthäus Hahn als Pfarrer in Echterdingen angestellt. Doch auch hier ist er mit Stunden- und Druckverbot belegt. Hier in Echterdingen machte sich eine körperliche Schwäche sehr stark bemerkbar, sein Arbeitseifer nahm zusehends ab.

Mit seinen Kindern, er hatte sieben von seiner ersten Frau, spielte er und fing mit ihnen Schmetterlinge, doch andererseits verließen einige Söhne das Elterhaus, sie kamen mit der Strenge des Vaters nicht zurecht. Die Ehe mit seiner Frau Anna-Maria, die er als 15 Jährige geheiratet hatte, galt nicht als glücklich, aber er war dennoch ein treusorgender Gatte. Ein Jahr nach dem Tod Anna-Marias im siebten Kindbett im Jahr 1775 heiratete er nach reiflicher Überlegung die 18-jährige Beate Regina, Tochter des beliebten Münchinger Pfarrers Johann Friedrich Flattich. Mit Beate Regina hatte Hahn auch sieben Kinder, aber auch in dieser Ehe lief nicht alles zum Besten. Schuld daran war Streit wegen Geld, Kleidern, seiner häufigen Wirtshausbesuche und um Fragen der Lebensführung.

Die Jahre in Echterdingen waren für Hahn nicht mehr mit so viel Schaffenskraft ausgefüllt, er betätigte sich fast nur noch als Seelsorger, und in seinem Tagebuch häufen sich Klagen über Schmerz und Leiden, ursächlich waren wohl sein übergroßer Arbeitseifer und die Hungerjahre in seiner Jugend in Tübingen. Am letzten Tag seines Lebens zog Philipp Matthäus Hahn seine Uhren noch einmal auf und ermahnte seine Frau und Kinder zu einem gottgefälligen Leben.

Erika Krügler

Der Prediger Hahn

Es dürfte die »Warte«-Leser noch interessieren, wie die Predigt-Tätigkeit Philipp Matthäus Hahns auf seine Umwelt gewirkt hatte. Lassen wir dazu einen seiner Enkel, Philipp Paulus, zu Wort kommen:

»Meine Mutter war die Tochter des in Württemberg und auch im übrigen Deutschland wohlbekannten Philipp Matthäus Hahn, der im Jahre 1790 als Pfarrer in Echterdingen auf den Fildern starb. Derselbe hat sich schon durch sein mathematisches und mechanisches Talent und namentlich durch seine Erfindungen auf dem Gebiet der Uhrmacherei sowie durch seine Rechenmaschinen und seine die Bewegungen der Planeten und Fixsterne nachahmenden Himmelsuhren einen nicht unbedeutenden Namen erworben, war aber ganz besonders als Theologe und Prediger des Evangeliums eine hervorragende Erscheinung des vorigen Jahrhunderts. Dies zeigte sich überall, wo er als Prediger wirkte, in dem gewaltigen Erfolg seiner Art der Verkündigung des Evangeliums. Dieser Erfolg bestand ­sowohl in Kornwestheim als auch in Echterdingen in einer außerordentlichen, fast allgemeinen Hebung der Gemeinde in sittlicher und religiöser Beziehung. Wie der Magnet das Eisen von allen Seiten unwillkürlich an sich zieht, so übte seine Predigt eine so große Anziehungskraft aus, dass nicht nur aus der Ferne hohe und niedere herbeigelockt, sondern auch die eigentlichen Glieder seiner Gemeinde so an ihn gefesselt wurden, dass sie nicht selten, wenn er auswärts predigte, auch dahin mit ihm gingen, um ihn zu hören. Einen gewaltigen Eindruck machte seine Predigt nicht nur auf das geringere Volk, sondern auch auf die allergebildetsten Leute. Mein Vater konnte, so oft er von ihm redete, nicht umhin, ihn für den größten Kanzelredner seiner Zeit zu erklären: »Ich habe Lavater, Herder und alle großen Kanzelredner jener Zeit persönlich gekannt und habe sie oft auf Kanzeln und Lehrstühlen reden hören, aber ich sage dir, von diesen allen war keiner deinem Großvater an die Seite zu stellen. Wenn er in seiner hohen, achtungsge­bietenden Gestalt und mit dem Ausdruck überirdischer Verklärungen auf seinem Antlitz auf der Kanzel stand und die Herrlichkeit des Reiches Gottes verkündigte, so war es einem zumut, als sehe und höre man nicht einen Menschen, sondern einen Gesandten Gottes gerade vom Himmel herabgekommen.« (zitiert aus: »Philipp Matthäus Hahn in Echterdingen 1781-1790« von Hans Dieter Huber)

Vor 50 Jahren wurde im »Warte«-Heft 1964/Nr. 11 über Philipp Matthäus Hahn geschrieben, dass seine religiösen Gedanken der späteren Tempelidee so nahe kamen, dass nach Meinung von Christoph Hoffmann seine Schriften »geradezu eine Schule des Tempels genannt werden können«.

(Das TGD-Archiv weist einen guten Bestand an Büchern über Philipp Matthäus Hahn auf, die jederzeit ausgeliehen werden können, wie das auch Erika Krügler getan hatte. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass sieben unserer derzeitigen TGD-Mitglieder direkte Nachkommen Hahns sind. In Australien gibt es unter den dortigen Tempel-Mitgliedern sogar mehr als 20 solcher Nachfahren.)

Die berühmte Verwandt­schaft von Philipp Matthäus Hahn

Über seine Vorfahren, insbesondere Jörg Hahn (um 1500 Schultheiß in Sielmingen auf den Fildern) ist Philipp Matthäus Hahn mit den folgenden bedeutenden Persönlichkeiten verwandt (dokumentiert auch in einem 1999 errichteten Gedenkstein der Gemeinde Filderstadt in Sielmingen):

Gedenkstein Jörg HahnPhilipp Matthäus Hahn (1739-1790), Pfarrer und ­Er­finder, Friedrich ­Schiller (1759-1805), Dichter, Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831), Philosoph, Friedrich Hölderlin (1770-1843), Dichter, Justinus Kerner (1786-1862), Arzt und Dichter, Ludwig Uhland (1799-1881), Dichter, Wilhelm Hauff (1802-1827), Dichter, Eduard Mörike (1804-1875), Dichter, Christoph Ulrich Hahn (1805-1881), Pfarrer, Sozialpolitiker, Christoph Friedrich Stälin (1805-1873), Landeshistoriker, Ferdinand von Steinbeis (1807-1893), Wirtschaftspolitiker, Gustav Werner (1809-1887), Begründer des Bruderhauses, Karl von Gerok (1815-1890), Theologe und Dichter, Ottilie Wildermuth geb. Rooschütz (1817-1877), Schriftstellerin, Jacob Brodbeck (1821-1910), Flugpionier in den USA, Max Eyth (1836-1906), Ingenieur und Schriftsteller, Wilhelm Maybach (1846-1929), Ingenieur und Unternehmer, Max Planck (1858-1947), Physiker, Theodor Heuß (1884-1963), erster Bundespräsident der Bundesrepublik, Dietrich Bonhoeffer (1906-1945), Theologe und Widerstandskämpfer, Hansmartin Decker-Hauff (1917-1992), Landeshistoriker, Richard von Weizsäcker (geb. 1920), Bundespräsident, Grace Kelly (1929-1982), Schauspielerin.

Peter Lange, Archivleiter

Ein Fluss jenseits von Eden

Das Jordantal erlebt eine von Menschen gemachte Naturkatastrophe

Der Jordan steht kurz vor dem ökologischen Kollaps. Wenn die Anrainerstaaten sich nicht schleunigst zusammentun, ist das einst reiche Ökosystem für immer zerstört. In der Umweltorganisation Eco Peace / Friends of the Earth Middle East (FoEME) kämpfen Jorda­nier, Palästinenser und Israelis gemeinsam für den Erhalt des Jordantals.

Über Jahrtausende brachte der Jordan Leben in eine Landschaft von außerordentlichem ökologischen, spirituellen und kulturellen Wert. Gründungsgeschichten des Judentums, des christlichen Glaubens und des Islam spielten sich an seinen Ufern ab. In unserem kollektiven Gedächtnis ist der Jordan ein Fluss des Lebens, allen drei abrahamitisehen Religionen ist er heilig.

Das Flussbecken des Jordan teilen sich heute Syrien, Jordanien, Israel und Palästina. Ihre Grenzen haben nichts mit den ökologischen Grenzen zu tun. Der ­wachsende Wasserbedarf dieser Länder sowie die Folgen des Klimawandels zerstören aber den unteren Jordanlauf. Anstatt das Tal als ein einzigartiges, grenzüberschreitendes Wassereinzugsgebiet zu verstehen, liegen diese Nationen im Wettstreit um den größtmöglichen Wasseranteil. Der Fluss ist derzeit Militärzone; er dient als Grenze zwischen Jordanien und Israel/Palästina. Jordanier und Israelis haben nur äußerst begrenzt, Palästinenser so gut wie keinen Zugang zum Jordan.

Der Jordan stirbt. Die Anrainerstaaten haben mehr als 96 Prozent des natürlichen Flusses umgeleitet. Seit 50 Jahren fließen ungeklärte Abwässer direkt in den Jordan, andere Abwässer kommen durch Versickerung hinzu. Das wenige verbleibende Flusswasser ist mit Unrat und Abfällen verschmutzt.

Während der Fluss austrocknet; ist das untere Jordantal bereits ökologisch ­kollabiert. Bald kann dies nicht mehr rückgängig gemacht werden. Die Biodiversität ist um die Hälfte geschrumpft. Der Wasserspiegel des Toten Meeres sinkt so schnell, dass es bis zur Mitte des Jahrhunderts nur noch ein Teich sein wird. Dies ist nicht nur eine Tragödie für die Natur; Quellen, aus denen über Jahrtausende Ackerland bewässert wurde, sind ausgetrocknet, nicht etwa weil Regen ausgeblieben ist, sondern weil die Grundwasserschichten durch Brunnen­bohrungen leergefördert sind. Der Niedergang des Jordan ist eine von Menschen gemachte Katastrophe.

Aus: »Schneller-Magazin über christliches Leben im Nahen Osten« 3/2013

Konsum für die Müllhalde

Der programmierte Verschleiß

Die willkürliche Begrenzung der Lebensdauer von Produkten ist keine neue Idee. Bereits in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts verfiel der Präsident von General Motors auf die Idee, jährlich neugestaltete Automodelle auf den Markt zu bringen, damit die Fahrzeuge früher »alt« aussahen. Der Plan ging auf, die Kunden kauften die neuen Modelle, selbst wenn der alte Wagen noch einwandfrei funktionierte. Der Konkurrent Ford mit seinem langweiligen Modell T wurde abgehängt. Mit den Jahren wurde die äußere Erscheinung der Autos zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Aber es gab und gibt auch subtilere, nicht sichtbare Formen des eingebauten Verschleißes: So sprachen sich 1924 internationale Hersteller von Glühbirnen untereinander ab, die Lebensdauer ihrer Produkte auf 1.000 Stunden zu begrenzen; wer sich nicht daran hielt, musste Geldstrafen zahlen. Als das Kartell aufflog, wurde die künstliche Begrenzung der Lebensdauer (sog. Obsoleszenz) verboten; die Glühbirnen hielten danach trotzdem nicht länger. Heutzutage lässt sich die geplante Obsoleszenz vieler Elektrogeräte noch leichter verstecken. Bei einem japanischen Tintenstrahldrucker zählte zum Beispiel ein verborgenes Programm die Druckvorgänge und verhinderte nach Erreichen eines vorge­gebenen Grenzwerts weitere Ausdrucke. Wenn es gelang, diese Sperre zu überwinden, druckte das Gerät munter weiter. Wie viele bewusste Schwachstellen in moderne Digitalgeräte eingebaut sind, weiß niemand. Auf Internetseiten wie www.murks-nein-danke.de kann man immerhin Verdachtsfälle melden. Die Kosten des programmierten Verschleißes für deutsche Konsumenten werden von Experten auf 100 Mrd. Euro pro Jahr geschätzt. Das Umwelt­bundesamt hat 2013 ein Forschungsprojekt gestartet, das das »Phänomen Obsoleszenz« bei Elektrogeräten für Privatverbraucher untersuchen soll; die Ergebnisse sollen leider erst 2015 vorliegen. Aufklärung tut dringend Not, denn eine Absicht der Produzenten lässt sich bisher nur schwer beweisen; kein Wunder, dass im Netz jede Menge Verschwörungstheorien kursieren. Es gibt durchaus etliche Indizien, wie bei vielen Produkten der rasche Verschleiß bewusst begünstigt und eine Reparatur unwirtschaftlich gemacht wird. Beispiele sind etwa fest verbaute Akkus in Handys, Smartphones, Tablets und Laptops oder das Zurückhalten von Ersatzteilen oder Reparaturanleitungen. Selbst Fernsehgeräte, die früher viele Jahre durchhielten, scheinen nun schneller kaputtzugehen: Nach einer Umfrage unter 7.000 Konsumenten waren Flachbildfernseher im Durchschnitt schon nach 19 Monaten reparatur­bedürftig. Bei manchen Monitoren sind in den Netzteilen Kondensatoren an besonders heißen Stellen verbaut, so dass ihr Elektrolyt nach einer kurzen, angeblich genau kalkulierten Nutzungsdauer verdampft. Bei anderen Modellen ist der Einschaltknopf so schwach ausgelegt, dass er nach einer bestimmten Anzahl von Betätigungen versagt. Der Branchenverband BITKOM schreibt derartige Vorfälle aber keiner bösen Absicht zu, vielmehr werde des niedrigen Preises wegen an der Qualität gespart. Und die Stiftung Warentest erklärte hierzu salomonisch, man habe bislang keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass Hersteller bewusst Bauteile minderer Qualität eingebaut hätten, um diese schneller unbrauchbar zu machen; das heiße aber nicht, dass alle Produkte lange hielten. Tatsache ist leider, dass es häufig nur Pfennigartikel sind, die ein Produkt vorzeitig kaputtgehen lassen. Auch Softwareupdates (wenn sie von den Herstellern überhaupt zugelassen sind) führen bei Computern schon nach wenigen Jahren zu einer Überforderung der Hardware und zur unfreiwilligen Neuanschaffung, obwohl die Rechner es eigentlich noch täten. Demnächst wird etwa der Support für das noch auf fast 30 % der Computer laufende Betriebssystem Windows XP der Fa. Microsoft eingestellt; das mächtigere Nachfolgesystem wird auf vielen Computern nicht mehr laufen, da mehr Arbeitsspeicher benötigt wird. Eine Aufrüstung ist vielfach unrentabel.

Viele Konsumenten finden sich mit dieser Entwicklung nicht mehr ab. Die zuerst in den Niederlanden entstandene Bewegung der Reparatur-Cafés hat auch in Deutschland zahlreiche Nachahmer gefunden. Und auf Internetseiten wie der des kalifornischen Unternehmens iFixit haben eine halbe Million Nutzer bereits über 2.000 Reparaturanleitungen eingestellt. Inzwischen kann man dort auch passende Werkzeuge erhalten; die europäische Zentrale samt Lager befindet sich übrigens in Stuttgart. Die Repair-Bewegung könnte nach Meinung von Experten ein Trend werden, wie sich derzeit schon in Berlin besichtigen lässt, z.B. in dem 2013 gegründeten »Kreuzberger Repair-Café«, das bereits den Berliner Umweltpreis des BUND gewann. Dort beraten ehrenamtliche Experten unter dem Motto »Wegwerfen? Denkste!« ratsuchende Bürger, die mit ihren kaputten Elektrogeräten vorbeischauen und bei Kaffee und Kuchen in die Geheimnisse ihrer Geräte eingeweiht werden. »Zwar sind in jedem Haushalt zahlreiche Elektrogeräte« erklärte die Gründerin, »aber die Leute trauen sich nicht mehr, Dinge selbst zu reparieren oder ihre Mitmenschen um Hilfe zu fragen. Stattdessen landen die Geräte beim kleinsten Defekt auf dem Müll. Wir wollen helfen, Abfall zu vermeiden, und der Konsumgesellschaft etwas entgegensetzen.«

»Ein Produkt, das nicht kaputtgeht (oder - möchte man hinzufügen - das sich nicht kostengünstig reparieren lässt), ist der Alptraum des Kapitalismus,« heißt es in dem Buch »Kaufen für die Müllhalde - Das Prinzip der geplanten Obsoleszenz« von Jürgen Reuß und Cosima Dannoritzer. Dank Billigproduktion und verschwenderischen Rohstoffeinsatzes sei es nach Meinung der Autoren zum Grundpfeiler der Überflussgesellschaften und ihres Fetisches Wirtschaftswachstum geworden. Die unglaublichen Mengen des jährlich produzierten Elektroschrotts mahnen in der Tat zur Umkehr: 2012 waren es weltweit 49 Mio. Tonnen, 2017 sollen es bereits 65 Mio. Tonnen sein, erklärte die Initiative »Solving the E-Waste Problem« (StEP) der Vereinten Nationen im Dezember 2013. In Deutschland kamen 2012 pro Einwohner 27,5 kg neuer Elektrogeräte auf den Markt und jeder produzierte im Schnitt 23,2 kg Hightech-Schrott - fast so viel wie ein Amerikaner (29,8 kg) oder ein Chinese. Mittlerweile produzieren die Schwellen- und Entwicklungsländer übrigens schon mehr Elektroschrott als die Industrieländer. Hinzu kommt: Aus Amerika und Europa gelangen immer noch Jahr für Jahr Millionen Tonnen E-Schrott zum Ausschlachten in die Entwicklungsländer. Deutschland hat zwar ein ausgeklügeltes Registrierungs- und Rücknahmesystem für Elektroaltgeräte; die Entsorgung wird beim Kauf mitbezahlt. Jedoch sind die erfassten und verwerteten Mengen seit mehreren Jahren rückläufig, obwohl die Ausfuhr von Elektroschrott grundsätzlich verboten ist. Dies liegt auch daran, dass es für (angeblich) noch funktionierende Altgeräte keine Handelsbeschränkungen gibt, auch wenn sie in Wahrheit nur zum Ausschlachten außer Landes geschafft werden. Wollen die Behörden die Ausfuhr verbieten, müssen sie den Exporteuren bisher nachweisen, dass es sich um unbrauchbaren Schrott handelt. Diese Lücken sollen durch eine Umkehr der Beweislast bald geschlossen werden; nach dem neuen Koalitionsvertrag soll der illegale Export möglichst rasch unterbunden werden. Die deutsche Entwicklungshilfe fördert zudem in Ländern wie Indien das umweltgerechte Recycling nach europäischem Standard. Aber erst zehn Prozent des Elektroschrotts werden in Indien ohne Gefahren für Mensch und Umwelt recycelt, die restlichen 90 Prozent werden von den Armen illegal in Hinterhöfen ausgeschlachtet. Dabei werden die wertvollen Stoffe vielfach in Töpfen über offenem Feuer einfach ausgekocht, wobei auch Kinder giftigen Stoffen wie Arsen, Chrom, Blei, Cadmium und Quecksilber ausgesetzt sind. Manches sickert in Boden und Grundwasser. Regulär arbeitende Unternehmen können wegen ihrer höheren Personalkosten und der Umweltauflagen kaum mithalten. Ob sich an dieser Schieflage rasch etwas ändern wird, ist wegen Korruption und mafiöser Strukturen der illegalen Entsorgungswirtschaft zu bezweifeln. Dabei wäre Abhilfe dringend notwendig: Die weltweit führenden IT-Firmen drängen in den »IT-Tigerstaat« Indien; das Aufkommen an Elektroschrott soll dort bis 2020 um 500 Prozent wachsen, in der IT-Metropole Bangalore sogar noch stärker.

Jörg Klingbeil

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