Die Warte des Tempels

Monatsschrift für offenes Christentum

Ausgabe 167/10 - Oktober 2011

 

 

»Mit meinem Reifen reift dein Reich«

Rilke und die Religion

Rainer Maria Rilke (geb. 1875 in Prag, gest. 1926 im Sanatorium Valmont bei Montreux) ist einer der bekanntesten Lyriker deutscher Sprache. Zeit seines unsteten Lebens befand er sich zwischen den etablierten Religionen und Kulturen auf der Suche nach Lebenswahrheiten für sich und die Menschheit, nach »Gott«, und versuchte, das Unsagbare in seine Dichtungen zu übersetzen. Es lohnt sich, diesen »Übersetzungsversuchen« nachzuspüren, weil sie nach meinem Eindruck dem Empfinden vieler religiös denkender Menschen der heutigen Zeit entsprechen. Dabei kann der Dichter hier naturgemäß nur mit einem kleinen Ausschnitt seines umfangreichen Schaffens zu Wort kommen.

Rilkes Kindheit und Jugendzeit waren nicht einfach. Er wuchs nach der Scheidung seiner Eltern bei seiner Mutter auf, die - aus Trauer über den frühen Tod einer älteren Schwester - den kleinen René (wörtlich übersetzt: der Wiedergeborene), wie er zunächst hieß, bis zu seinem fünften Lebensjahr wie ein Mädchen erzog. Zudem flüchtete sich die Mutter, nachdem die Mitgift verbraucht, die Offizierskarriere des Mannes und die Ehe gescheitert waren, zunehmend in eine bigotte Religiosität, die auf ihren Sohn ebenso prägend wie abstoßend wirkte. Wenn Rilke sein Leben lang Distanz zur kirchlichen (Schein-)Frömmigkeit hielt, dann ist das auch als Reaktion auf die Kindheitserlebnisse zu verstehen. Als mindestens ebenso traumatisch erwies sich für den sensiblen Knaben der auf Druck des Vaters stattfindende Besuch mehrerer Militärschulen, der 1891 krankheitsbedingt scheiterte. Während Rilke in der Schulzeit den Glauben an einen allmächtigen Gott im Hinblick auf das Wunder des Kosmos und des Lebens für unausweichlich hielt, wandte er sich später zunehmend einer seelenvollen, aus Naturerfahrung gewonnenen Weltfrömmigkeit zu. Bereits in der Gedichtsammlung »Mir zur Feier« 1897/98 wird ein Gottesbild erkennbar, das im Laufe der Jahre für ihn das einzig verbindliche blieb: Gott nicht mehr als ein demonstrierbares, forderndes Gegenüber, sondern als ein immer schon im Innersten Wirkender und Gegenwärtiger, der vom Herzen in besonders schöpferischen, »glühenden« Augenblicken erfahren wird, ohne dass er sich dadurch »verriete« oder seinen Geheimnischarakter verlöre:

Du darfst nicht warten, bis Gott zu dir geht
und sagt: Ich bin.
Ein Gott, der seine Stärke eingesteht,
hat keinen Sinn.
Da musst du wissen, dass dich Gott durchweht
seit Anbeginn,
und wenn dein Herz dir glüht und nichts verrät,
dann schafft er drin.

Dieser schöpferische Gott macht sich für Rilke aber nicht nur im Herzen bemerkbar, er stellt auch eine geheimnisvolle Verbindung zu der uns umgebenden Umwelt, vor allem zur Natur dar. Schon früh empfand er die Verbundenheit mit der Natur als eine vom göttlichen Leben erfüllte Wirklichkeit, wobei er - wie eines seiner schönsten Gedichte aus dem »Buch der Pilgerschaft« des »Stundenbuchs« zeigt - auf Beweise oder Wunder verzichtete:

Alle, welche dich suchen, versuchen dich.
Und die, so dich finden, binden dich
an Bild und Gebärde.
Ich aber will dich begreifen
wie dich die Erde begreift;
mit meinem Reifen
reift dein Reich.
Ich will von dir keine Eitelkeit,
die dich beweist.
Ich weiß, dass die Zeit
anders heißt
als du.
Tu mir kein Wunder zulieb.
Gieb deinen Gesetzen recht,
die von Geschlecht zu Geschlecht
sichtbarer sind.

In dem Maße, wie Rilkes Gottheit die Grenzen des kirchlichen Dogmas überschritt und er nach Worten suchte, um sein eigenes Gottesbild zu beschreiben, erfuhr er zugleich die Unzulänglichkeit der Sprache. Mit den Mystikern und anderen großen Dichtern und Denkern teilte er die Skepsis gegenüber den Möglichkeiten der Sprache, seelische, vor allem religiöse Erfahrungen adäquat auszudrücken. So schrieb er in den von Rudolf Steiner herausgegeben »Dramaturgischen Blättern« im Jahr 1898: »Man wird einsehen müssen, dass das Wort nur eine von vielen Brücken ist, die das Eiland unserer Seele mit dem großen Kontinent des gemeinsamen Lebens verbinden... Man wird es deshalb aufgeben, von den Worten Aufschlüsse über die Seele zu erwarten, weil man es nicht liebt, bei seinem Knecht in die Schule zu gehen, um Gott zu erkennen.« Immer wieder wandte Rilke sich auch, zunächst unter dem Einfluss Nietzsches, gegen die etablierten Christusbilder, die seines Erachtens das Wesen des Menschlichen, das Diesseits, im Namen Christi entwerten. Noch im fiktiven Brief eines jungen Arbeiters von 1922 geht es ihm um die Ausbeutung des Lebens im Namen des Jenseitigen: »Welcher Wahnsinn, uns nach einem Jenseits abzulenken, wo wir hier von Aufgaben und Erwartungen und Zukünften umstellt sind. Welcher Betrug, Bilder hiesigen Entzückens zu verwenden, um sie hinter unserem Rücken an den Himmel zu verkaufen!« Rilke verarbeitete dieses Thema in dem großen Gedichtszyklus Die Christus-Visionen, der erst nach seinem Tod erschien. Darin projiziert er seine Probleme mit einem Christentum, das einen jenseitigen Gott predigt und in Christus den ins Jenseits entrückten Sohn Gottes sieht, auf diesen, indem er ihn - über seine menschlichen Züge in den Evangelien hinaus - bis an die Grenze des Blasphemischen zum Menschensohn macht und in die Gegenwart versetzt. Durch mehrere Reisen nach Russland 1899 und 1900 mit seiner Geliebten und mütterlichen Freundin Lou Andreas-Salomé empfand er noch mehr als bisher Gott als den »Unvollendeten«, den zu vergegenwärtigen und zu vollenden die eigentliche Aufgabe der Kunst sei. Diese für ihn zentrale Religions- und Kunstauffassung fand ihren Niederschlag in dem dreiteiligen Stundenbuch, das 1905 erschien und zu Rilkes Lebzeiten die beachtliche Auflage von 60.000 Exemplaren erreichte, sowie in denGeschichten vom lieben Gott (1900). Im Stundenbuch, das schon durch seinen Titel auf mittelalterliche Gebetsammlungen Bezug nimmt, findet sich erstmals auch das rätselhafte Motiv des »dunklen Gottes«:

... Doch wie ich mich auch in mich selber neige:
Mein Gott ist dunkel und wie ein Gewebe
von hundert Wurzeln,
welche schweigsam trinken.
Nur, dass ich mich aus seiner Wärme hebe,
mehr weiß ich nicht, weil alle meine Zweige
tief unten ruhn und nur im Winde winken.

Manche Interpreten sehen in der Zuweisung Gottes in das Dunkle einen von Rilke bewusst gewählten Gegensatz zu der neutestamentlichen Gleichsetzung von Gott und Licht, indem er hier an eine alttestamentliche Tradition anknüpft, die Gott in Verbindung mit der Dunkelheit bringt (z.B. Ex. 20, 21; Joel 2,1; 1. Kön. 8, 12) und die auf ein altorientalisches Weltbild zurückgehen dürfte. Rilke meint damit wohl eine Zuordnung Gottes zu dem nicht klar Erkennbaren und Geheimnisvollen, wohl auch zu dem Ursprünglichen und nicht Begrenzbaren.

Neue Perspektiven ergaben sich für Rilke durch Reisen nach Nordafrika und Spanien und die Bekanntschaft mit anderen Religionen, insbesondere dem Islam, die ihn aus seiner gewohnten Ordnung des Religiösen herausriss und - wie er 1912 an eine Gönnerin schrieb - zu einer »beinahe rabiaten Antichristlichkeit« veranlasste: »...Mohammed ... bricht wie ein Fluss durch ein Urgebirg ...sich durch zu dem einen Gott, mit dem sich so großartig reden lässt jeden Morgen, ohne das Telefon "Christus", in das fortwährend hineingerufen wird ... und niemand antwortet.« Und drei Jahre später bekannte Rilke in einem Brief, dass Wege zu Gott nicht nur in christlichen, sondern auch in außerchristlichen Religionen möglich seien.

Rilkes letzte Schaffensperiode von 1922 bis 1926 stand im Zeichen einer zunehmenden Ferne von Gott. »Mehr und mehr kommt das christliche Erlebnis außer Betracht; der uralte Gott überwiegt es unendlich. Die Anschauung, sündig zu sein und des Loskaufs zu bedürfen als Voraussetzung zu Gott, widersteht immer mehr einem Herzen, das die Erde begriffen hat«, schrieb er 1923 in einem Brief. Zwar sprach Rilke im Verhältnis zu Gott nun von einer »unbeschreiblichen Diskretion« und »Namenslosigkeit«, damit war aber die Verbindung zu Gott nicht unterbrochen, sondern erreichte nur eine neue Qualität. Rilke war und blieb ein Gottsucher. »Es gibt so wunderbare Griffe nach Gott«, schrieb er einmal an eine Freundin, »und wenn ich der Menschheit zusehe, so meine ich, es handle sich nur darum, ihr unzählige Möglichkeiten bereitzuhalten, Ihn zu erfassen oder durch Ihn überrascht zu sein.«

Wer mehr über Rilkes Religiosität erfahren möchte, dem sei die Lektüre des Buches von Günther Schiwy »Rilke und die Religion«, Insel-Verlag, 2006, empfohlen, auf dem dieser Artikel weitgehend beruht. Viele weitere Informationen, eine Biografie und sämtliche Gedichte sind zudem auf der Homepage zu finden.

Jörg Klingbeil

Leserbrief

zum Artikel von M. Vahrenhorst: Acker, Bauwerk, Tempel

Der Autor schildert sehr anschaulich, an Hand des 1. Korintherbriefs (Kap. 3, 1-16) das Bild des Paulus von der Gemeinde, mit den Bild-Schwerpunkten Acker Gottes, Bauwerk Gottes, Tempel Gottes. Mit den ersten beiden kann ich mich weitgehend identifizieren: Gemeinde als Acker oder als Bau - als einen Ort, an dem wir aufgerufen sind, »Mitarbeiter Gottes« zu sein.

Erhebliche Probleme habe ich mit dem dritten Bild, dem vom Tempel, und mit Vahrenhorsts Auslegung dazu. Und das, obwohl unser Name »Tempelgesellschaft« sich von diesem Pauluswort herleitet, und obwohl im Zweifelsfall Christoph Hoffmann und die frühen Templer Paulus und Vahrenhorst vorbehaltlos zugestimmt hätten.

Ich sehe Gemeinde anders, und in unserer Diskussion beim Seminar hatte ich den Eindruck, dass die meisten heutigen Templer das ähnlich sehen. Was sind die Unterschiede? Es geht im wesentlichen um zwei Punkte.

Punkt eins: Wir beziehen uns, wenn wir unseren Namen erklären sollen, lieber auf das Tempel-Bild im 1. Petrusbrief (Kap. 2, 5): »Ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause (zum Tempel).« Damit ist der Tempel nicht etwas Fertiges, sondern ein Bau im Werden. Wir Heutigen würden sagen: im immerwährenden Werden, etwas, was immer wieder neu gestaltet werden muss. Es ist nicht ein statisches, sondern ein dynamisches Bild. Es entspricht unserer Erfahrung einer sich ständig verändernden Welt, in der auch Gemeinde sich immer wieder ändern muss.

Wichtiger ist der zweite Punkt: für Paulus ist die Gemeinde heilig: etwas Gottgewolltes, von Gott Geschaffenes, Eigentum Gottes, in dem sein Geist wohnt. »Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben, denn der Tempel Gottes ist heilig; der seid ihr.« Damit ist die Gemeinde etwas grundlegend anderes als die Welt um sie herum - man müsste ergänzen: in der der Geist Gottes nicht wirkt. Vahrenhorst betont diesen Gegensatz durch den Vergleich mit dem heiligen Bereich heidnischer Tempel und der Erläuterung, dass die Menschen in der Gemeinde anders miteinander umgehen sollten, als die draußen.

Natürlich wusste auch Paulus, dass es in den jungen Gemeinden (noch?) nicht immer heiligmäßig zuging. Er hatte viele davon selbst gegründet und aufgebaut und hielt weiter über Briefe und Boten engen Kontakt mit ihnen. Er kannte besser als jeder andere ihre Probleme und ging in seinen Briefen konkret und verständnisvoll darauf ein. Aber am besonderen Charakter der Gemeinde änderte das für ihn nichts. An einer anderen Stelle nennt er die Gemeinde den »Leib Christi«. Das bedeutet etwas jenseits dieser Welt, einer Art mystischer Einheit.

Das ist ein erhebendes Bild von Gemeinde und sicher eines, das den neuen Gemeinden Halt und Mut gab. Aber es ist nicht mein Bild. So erlebe ich Gemeinde nicht. Und mir scheint, man müsste hinzufügen: es ist nicht das Bild Jesu. Er sprach nicht von Gemeinden und er hat keine gegründet. Es gibt zwar, nur bei Matthäus, einen einzigen Abschnitt, der von Gemeinde handelt, nämlich davon, unter welchen Bedingungen jemand aus der Gemeinde ausgeschlossen werden sollte. Und genau das beweist, dass dieser Abschnitt späteren Ursprungs sein muss.

Er setzt geschlossene Gemeinden voraus, die es zu Jesu Lebzeiten noch gar nicht gab. Jesus zog kreuz und quer durchs Land und predigte allen, die zuhören wollten. Dann zog er weiter, wohl weil er möglichst viele erreichen wollte. Er säte einen Samen aus und vertraute darauf, dass er aufgehen werde.

Ich will nicht Jesus gegen Paulus ausspielen. Auch für uns ist Gemeinde ein ganz wesentlicher Ort, wo Religion konkret wird, wo sie gelebt werden kann und soll. Und ganz sicher war die Tradition der bewussten Gemeinde-Gründung und Gemeinde-Pflege, die Paulus in die Welt hinaustrug, ein ganz wesentlicher Faktor dafür, dass die neue Religion Bestand hatte und sich so rasch ausbreitete. Ich wehre mich nur gegen die mystische Überhöhung, die Gemeinde sei in einem speziellen Sinn und im Gegensatz zu den Anderen Gottes Eigentum. Sie schafft ein Gefühl des Auserwähltseins und damit Grenzen zwischen Drinnen und Draußen. Paulus wollte seine Gemeinden nicht abschotten (»Tut Gutes an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen«. Galaterbrief 6, 10), aber das Gefühl des Auserwähltseins wirkte darauf hin (mit, historisch gesehen, zum Teil schlimmen Folgen). Und das passt nicht mehr in unsere Zeit, in der wir gerade erst anfangen, einzusehen und zuzugeben, dass Gott überall wirkt, nicht nur in christlichen Gemeinden und nicht nur im Christentum. »Der Geist weht, wo er will.«

Ich schließe noch einen Bericht vom Dresdner Kirchentag an, in dem es genau um diese Frage von Drinnen und Draußen geht und um ein konkretes Beispiel (es wurde über mehrere berichtet), wie man versuchen kann (und sollte), Grenzen zu überwinden. Dort ist von Kirche die Rede, aber gemeint ist eigentlich die Gemeinde. Und: selbst dieser Bericht über die Überwindung von Grenzen zeigt, wie unentbehrlich dabei die »Gemeinde« ist: der oft kleine Kreis von Engagierten, die sich einsetzen und neue Wege ausprobieren.

Brigitte Hoffmann

Wer ist drinnen, wer draußen?

Glaube im säkularen Raum: In Ostdeutschland werden auch Konfessionslose zur Mitarbeit in der Kirche eingeladen.

Ernüchtert, traurig, auch verärgert. So reagieren viele im Publikum. Aber Gisa Klönne, Krimiautorin aus Köln, ist einfach nur ehrlich. »Wie relevant ist die Kirche in meinem Leben?«, lautet das Thema der Podiumsdiskussion in der gut gefüllten Messehalle 3. Klönnes Antwort: nicht sonderlich. »Es ist schön, dass es die Kirche gibt«, sagt sie, »aber hingehen? Das tue ich nicht.« Ja, an Weihnachten gehe sie in den Gottesdienst, aber am normalen Sonntag wolle sie ihre Ruhe. Dann und wann nehme sie auch mal an einer Taufe oder Beerdigung teil, »wenn dies in der Verwandtschaft ansteht.« ...

Zu dieser Realität (in Westdeutschland) gehört, dass die Kirche für viele Menschen dann bedeutsam wird, »wenn der Alltag plötzlich durchgerüttelt wird und die großen Fragen des Lebens auftauchen«, wie es Klönne formuliert. »Wenn ich nicht mehr weiterweiß, dann wird die Kirche für mich relevant: sozusagen als Servicestation.«

Die Frau schaut in die Halle: »Ist es unfair, wenn ich so denke?« Manche und mancher in der Halle nickt. ... Die Kirche muss es geben: aber »nur« als existenziellen Notnagel und - das auch - als beharrliche Verfechterin unverzichtbarer Werte und natürlich der Gottesidee, wie Klönne sagt. Und wer diese Kirche trägt, werden sich nicht wenige in der Halle gefragt haben. Wir, die »Dummen«, die noch engagiert zu dieser Kirche stehen.

... Kirche ist eben in erster Linie für die anderen, für die Leute da. Menschen wie Gisa Klönne in den entscheidenden und herausfordernden Momenten des Lebens zu erreichen ist auch eine große Chance. ...

Das ist in Ostdeutschland anders. In Laucha, einer Landgemeinde in Sachsen-Anhalt, haben drei Viertel der Bevölkerung keinerlei Bezug zur Kirche. Sie sind konfessionslos oder zu DDR-Zeiten ausgetreten. »Doch unser kirchlicher Auftrag bezieht sich auch auf diese Menschen«, sagt die Pfarrerin Anne-Christina Wegner ... .

»Wir haben allen Bürgern gesagt, dass wir gezielt etwas für die Kinder am Ort machen wollen, und gefragt, wer dabei mitmachen möchte.« Jetzt seien 21 ehrenamtliche Frauen und Männer - darunter auch Konfessionslose - mit von der Partie. Sie werden für diese sozial-diakonische Aufgabe sogar ausgebildet. »Manche nähern sich über dieses Engagement ganz vorsichtig der Kirche an«, sagt die Pfarrerin. Ein paar Wiedereintritte habe es gegeben. Andere blieben aber weiter auf Abstand. Das gelte auch für die konfessionslosen Helferinnen und Helfer beim Besuchsdienst der Gemeinde, der vor allem auf die älteren Dorfbewohner ausgerichtet ist. ...

Die Gottesdienste und Andachten in ihrer Gemeinde würden von unterschiedlichen Gruppen vorbereitet, zu denen oft eben auch Konfessionslose gehörten, erzählt Pfarrerin Wegner. »Und die setzen sich dann in ihrer Predigt mit dem vorgegebenen Bibeltext auseinander und stellen ihre kritischen Fragen.« Verkündigung sei für sie keine Einbahnstraße, sondern Auseinandersetzung und Dialog. Sich dem christlichen Glauben anzunähern gelinge am besten durchs Tun, eben auch durchs Predigen. Die Grenzen zwischen Lehrenden und Lernenden verschwimmen auf diese Weise. Und auch die Grenzen zwischen denen drinnen und denen draußen. ...

Hartmut Meesmann, gekürzt

Aus: »Publik-Forum«, kritisch - christlich - unabhängig, Oberursel, Ausgabe 12/2011, Seite 34

Vor 100 Jahren

Dankfest und Saal-Einweihung in Sarona

Als die Templer und ihre Freunde in Stuttgart am 25. September ihr jährliches Dankfest feierten, könnte ihr geistiger Blick 100 Jahre in die Vergangenheit zurückgegangen sein in die einstmals blühende landwirtschaftliche Siedlung Sarona bei Jaffa, wo am 15. Oktober 1911 schon damals das templerische »Dankfest« viele Besucher auch aus den anderen Kolonien angezogen hatte. Die Versammlung vor genau 100 Jahren hatte seine besondere Bedeutung dadurch erlangt, dass in Anwesenheit des Tempelvorstehers Christian Rohrer gleichzeitig der neue Saalbau an der Kreuzstraße eingeweiht und als »Schul- und Vereinshaus« eröffnet wurde. Der Schulunterricht war bis dahin in den Räumen des alten, schon 1872 erbauten Gemeindehauses erteilt worden, Dankfest und Saal-Einweihung Sarona das jedoch mit der Zeit die wachsende Zahl der Schüler nicht mehr fassen konnte. Auch der deutsche Verein von Sarona hatte Schwierigkeiten, einen Gesprächs- und Vortragsraum in geeigneter Größe zu bekommen. So konnte Bürgermeister Friedrich Lämmle 1911 das neue Bauwerk für zwei Bedarfszwecke seiner Bestimmung übergeben und es deshalb »Schul- und Vereinshaus« nennen.

Christian Rohrer wies in seiner Ansprache darauf hin, dass die Tempelschulen darauf ausgerichtet sein müssten, alle hemmenden oder schädigenden Einflüsse von den Heranwachsenden fernzuhalten und in ihnen die Gesinnung einzupflanzen, die wir bei Jesus von Nazareth wahrnehmen könnten, was allein den Adel wahren Menschentums ausmachen würde. »So erziehen wir sie für das Reich Gottes«.

Der seit 1909 in Sarona amtierende Schulleiter, Professor Jakob Prinz, brachte seine guten Wünsche für ein gedeihliches Schulwesen in den Zusammenhang mit der »Ode an die Freude«: »Die Freude ist der Widerhall des Glücks in unseren Seelen. Die echte Freude ist eine Blüte des geistigen Lebens. Und der Pflege dieser schönsten Blume im Menschleben, der Pflege des geistigen Lebens soll dieses Haus geweiht sein.« Jakob Prinz war ein anerkannt guter Pädagoge, der aus Hoffnungstal bei Berdjansk in Südrussland stammte und zu den ersten Schülern der Höheren Schule der Templer in Jaffa (des Tempelstifts) gehört hatte.

Peter Lange

Erziehung zum Frieden an den Schneller-Schulen

Die Schneller-Schulen in Jordanien und Libanon stellen sich dieser Herausforderung mit zwei Kernfragen:

Wie macht man Frieden?

Wie muss Erziehung ausgerichtet sein, damit Menschen dauerhaft friedlich miteinander leben und auch für andere zum Friedensbringer werden können?

Letztes Jahr feierten die Schneller-Schulen ihr 150jähriges Jubiläum. 1860 gründete der schwäbische Lehrer Johann Ludwig Schneller aus Erpfingen das Syrische Waisenhaus in Jerusalem, aus dem die beiden Schneller-Schulen hervorgegangen sind. Er nahm dort Kinder auf, ohne nach ihrer Religion zu fragen.

An den Schneller-Schulen wachsen christliche und muslimische Kinder und Jugendliche zusammen auf. Von kleinauf lernen sie Toleranz gegenüber Andersgläubigen. Die Kinder und Jugendlichen stammen in der Regel aus armen Familien und aus schwierigen sozialen Verhältnissen. So heißt Friedenserziehung an den Anstalten der Schneller-Schulen zunächst, Kindern aus armen oder zerrütteten Verhältnissen gute berufliche Bildung eine Chance geben. Nach dem Schulabschluss wird den Jugendlichen eine handwerkliche Ausbildung an den Werkstätten angeboten.

Im Rahmen des Jubiläums fand eine friedenspädagogische Fachtagung in Amman statt unter dem Leitwort »Frieden leben lernen - Kinder lernen Regeln des friedlichen Zusammenlebens.« Mit dieser Fachtagung, die in ihrer internationalen und interdisziplinären Ausrichtung einzigartig für die Region gewesen sein dürfte, wollen die Schneller-Schulen noch stärker als ein Beispiel für erfolgreiche Friedenserziehung im Nahen Osten bekannt werden. Im Folgenden werden einige der auf diesem Symposium vorgetragenen Leitgedanken zur Friedenserziehung geschildert, die nicht nur an den Schneller-Schulen sinnvoll angewandt werden können.

Erhalt des Friedens gehört zu den Lebensfragen des Menschen. Weil sich der Mensch langsam entwickelt, vollzieht sich auch Friedenspädagogik in Schritten. Michael Landgraf (Religionspädagogisches Zentrum Neustadt) beschreibt diese Schritte so: »Sie beginnen bei Kleinkindern in der Aufarbeitung von Gefühlen, aber auch in der Suche nach einfachen Regeln im Miteinander. Mit Grundschulkindern können Ursachen von Streit, Formen von Gewalt und Regeln für den Konfliktfall besprochen werden. Interkulturelles und interreligiöses Lernen wird angebahnt. Bei Jugendlichen wird die Frage nach Gerechtigkeit sowie Formen der Gewalt aufgearbeitet. Je älter Jugendliche werden, desto globaler kann man das Thema Frieden behandeln und über Ursachen wie Ungerechtigkeit nachdenken. Schließlich können diese als Streitschlichter ausgebildet werden oder im Rahmen eines zivilen Friedensdienstes selbst aktiv sein.«

Im Magazin der Schneller-Schulen nimmt Uli Jäger vom Institut für Friedenspädagogik in Tübingen zur Bedeutung der Friedenserziehung Stellung und sieht die Schneller-Schulen mit ihrer Arbeit in diesem Bereich als beispielgebend. Jäger erklärt, dass Friedenspädagogik über Bildung und Erziehung die Friedensliebe in einem Menschen wecken will. Dabei geht es unter anderem darum zu lernen, mit anderen gewaltfrei zu kommunizieren. Gleichzeitig geht es um die Vermeidung von Gewalt in allen sozialen Bezügen. Dabei ist das Vorbild der Erwachsenen sehr wichtig. Jäger hebt besonders hervor, dass Friedenspädagogik keine Technik ist, die man einfach lernen kann. Sie ist für ihn eine Lebenseinstellung mit starker spiritueller Dimension. Als Beispiel dafür führt er die bekannten Vordenker der Gewaltfreiheit Ghandi und Martin Luther King an.

Wenn Kinder verschiedener Religionen gerade in einem Konfliktraum, wie es der Nahe Osten ist, im täglichen Leben miteinander umgehen lernen, ihren jeweiligen religiösen und kulturellen Hintergrund dabei kennenlernen, entsteht eine Offenheit und ein Verständnis für das andere. Lebenseinstellungen werden dann nicht pauschal verurteilt, sondern gehören zum vertrauten Erfahrungsbereich, lösen somit kein Misstrauen aus. Damit ist eine Basis für späteres Leben außerhalb der Schule gelegt, eine Basis, auf welcher auch ein politisches und staatliches Miteinander erwachsen kann.

Wir sehen die große Bedeutung, welche die Friedenspädagogik der Schneller-Schulen hat. Wenn andere Schulen dieses Beispiel in ihre Bemühungen zur Friedenserziehung übernähmen, könnten wir -zwar auf lange Sicht- mit einer Lösung der Konflikte im Nahen Osten rechnen.

Wolfgang Blaich

BIBELWORTE - KURZ BETRACHTET

Die große Ernte - das große Miteinander

Die Ernte ist groß, der Arbeiter aber sind wenige. Darum bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter aussende in seine Ernte. (Lukas 10,2)

Diese Aufforderung Jesu, die alle synoptischen Evangelisten übernommen haben, richtet sich bei Lukas nicht nur an »die Zwölf«, sondern er berichtet von 72 Jüngern, die Jesus aussandte. Sie sollten verkünden, dass das Reich Gottes schon nahe herbeigekommen sei, sie sollten Kranke heilen und böse Geister austreiben, wie sie es bei Jesus gesehen hatten. Auch wie sie unterwegs sein sollten, legte Jesus fest: sie sollten jeweils zu zweit gehen, weder Geld noch eine Tasche oder Schuhe mitnehmen. Ihr Auftrag war so wichtig, dass sie niemanden grüßen sollten - Begrüßungen, zumal im Orient, halten auf -, auch keine Wegzehrung, denn dass sie das, was sie an Nahrung benötigten, immer erhalten würden, stand bei Jesus außer Frage. Das, was sie vorgesetzt bekämen, sollten sie ruhig annehmen, denn ein Arbeiter sei seines Lohnes wert.

Wir gehen davon aus, dass Jesus keine Gemeinden gegründet hat. Er selber zog als Wanderprediger durchs Land, weil er dadurch sehr viel mehr Menschen mit seiner Botschaft erreichte. Einige wenige Anhänger begleiteten ihn ständig, kurzzeitig versammelten sich Zuhörer aus der ganzen Umgebung, um ihn zu erleben, von ihm geheilt zu werden, seine Predigten zu hören. Das ist die große Ernte, die er meinte - im Gegensatz zum Alten Testament, in dem bei der "großen Ernte" meist das Jüngste Gericht gemeint ist, dachte er eher an eine Sammlung. Er erlebte viele Menschen als Bedürftige, die ihm zudem wie zerstreute Schafe ohne einen Hirten vorkamen. Den 72 Jüngern, die er aussendet, traut er offenbar zu, dass sie das, was er den Menschen bringen wollte, ebenso gut vermitteln könnten, wie er selber. Von einer umfangreichen Instruktion oder einer Auswahl nach besonderen Kriterien ist nicht die Rede – offenbar reicht es aus, dass sie Jesus erlebt haben.

Abgesehen davon, dass der christliche Glaube ohne Gemeindebildung höchstwahrscheinlich nicht überlebt hätte, stellt sich unser religiöses Leben heute ganz anders dar. Für die Pfarrer und Priester der beiden christlichen Volkskirchen - ebenso für die Vertreter der anderen Religionen - sind mehrjährige Studiengänge unabdingbar, damit der Glaube "richtig" vermittelt werden kann, und für jeden, der seine Religion ausüben will, ist die Gemeinde der Ort dafür. Nur haben sich die Gemeinden der verschiedenen Konfessionen zu Institutionen entwickelt, in denen Glaube nur in bestimmten Ausprägungen gelebt wird. Das ist natürlich, denn jeder wird die Gruppierung suchen, die seine Auffassungen teilt, um sich darin wohlzufühlen.

Aber das ist nicht das, was Jesus wollte. Er vertrat zwar auch eine bestimmte, eine andere Auslegung dessen, was damals gemeinhin im Judentum verstanden wurde, aber er grenzte dadurch niemanden aus - im Gegenteil, er wandte sich den Ausgegrenzten zu und lehrte die Menschen das "große" Miteinander.

Wenn ich Pfarrer und Priester erlebe, die das Abendmahl an alle austeilen – unbesehen, ob die Empfänger evangelisch oder katholisch sind, wenn ich über die Diskussion in der katholischen Kirche lese, dass wiederverheiratete Geschiedene nicht mehr von den Sakramenten ausgeschlossen sein sollen und wenn christliche und muslimische Kinder zusammen zum Frieden erzogen werden (s. den Beitrag über die Schneller-Schulen), dann habe ich das Gefühl, dass hier das verwirklicht wird, was Jesus wollte. Seine Lehre verstand er als Angebot an die Menschen, und für den Fall, dass die Jünger irgendwo zurückgewiesen oder abgelehnt würden, gab er ihnen auch dafür Verhaltensmaßregeln mit: diese Orte sollten sie einfach hinter sich lassen und sich einem nächsten zuwenden. Es ging ihm nicht darum, dem anderen den "richtigen" Glauben beizubringen, er wollte Hoffnung, Mut zum Aufbruch und dadurch Lebenshilfe vermitteln.

Auch uns Templern ist die Gemeinde außerordentlich wichtig, sie ist nach unserer Auffassung auch heute noch zentral. Im Gegensatz zu den Zeiten der Kolonien leben nur wenige in unmittelbarer Nähe zum Gemeindezentrum - umso wichtiger ist es, hier zusammenzukommen, so oft es uns möglich ist. Dann liegt es an jedem von uns, sie zu einem Ort zu machen, an dem jeder willkommen ist und niemand ausgegrenzt wird.

Karin Klingbeil

Prominente besuchen Tempelkolonien

Von Schwarmgeisterei irregeführt

In den letzten Ausgaben der »Warte« wurde über die Begegnungen von Sven Hedin, Ferdinand Gregorovius und Karl May mit den Templern in Palästina berichtet. Auf der Suche nach weiteren Orient-Reisenden, die uns ihre Eindrücke aus der frühen Zeit der Tempelsiedlungen schildern können, bin ich auf den Hamburger Missionar Carl Ninck gestoßen, der seine Erlebnisse einer längeren Palästina-Reise des Jahres 1884 in einem reich bebilderten Buch mit dem Titel »Auf Biblischen Pfaden« niedergeschrieben hat (das im Templer-Archiv vorhandene Exemplar von 1911 war schon die 7. Auflage, zu der der Jerusalemer Propst Fr. Jeremias das Vorwort verfasste).

Nachdem Ninck seine Ankunft im Ausschiffungsboot auf schaukelnden Meereswogen und seinen ersten Eindruck der alten Stadt Jaffa (»Der Anblick von Jaffa ist prächtig«) im Buch geschildert hat, kommt er auch schon bald auf die dortige deutsche Siedlung zu sprechen:

»Von der grasbewachsenen Höhe, auf welcher unser Gasthaus stand, hatten wir einen prächtigen Ausblick auf die Stadt mit ihren flachen Dächern und Kuppeln, mit ihren Orangen- und Olivenhainen, sowie auf das blaue Meer zu ihren Füßen. Ein freundlicher russischer Baron, der hier von schwerer Krankheit Heilung fand und nun neben Sammlung palästinensischer Altertümer und Instandhaltung eines prächtigen, auch für andere geöffneten Ziergartens noch viel Zeit und Geld für wohltätige Zwecke übrig hat, lud etliche von uns ein, mit ihm eine Fahrt durch die Ebene Saron zu machen, was wir dankbar annahmen.

Bald stand ein mit drei mutigen Schimmeln bespannter Wagen vor unserer Tür und trug uns davon. Die Regengüsse der letzten Tage hatten den Weg zum Bach und teilweise zum Sumpf gemacht, so dass uns der Kot öfters über dem Kopf zusammenspritzte. Doch war dies noch gar nichts gegen das, was wir später von palästinensischen Wegen zu kosten bekamen.

Zu beiden Seiten standen zehn Fuß hohe Kaktushecken, dahinter aber lachte uns ein ganzer Wald von Orangenbäumen an, und obwohl vor zwei Tagen Hunderttausende durch den Hagel niedergeschlagen waren, so dass man derzeit sechzig Apfelsinen für zehn Pfennige kaufen konnte, so hingen doch noch so viele reife, goldene Früchte an den Bäumen, dass das grüne Land davor kaum sichtbar war.«

Das im Buch zu dieser Schilderung beigegebene Bild ähnelt ganz stark dem Aquarellbild Gustav Bauernfeinds von der mit üppigen Gärten durchzogenen Kolonie Jaffa, das der Maler vierzehn Jahre später für das »Kaiser-Album« gemalt hat.

Diese reiche Bodenkultivierung beobachtete Ninck nun auch in der unweit von Jaffa gelegenen Templersiedlung Sarona, die er bald auf seiner Kutschfahrt erreichte und die er folgendermaßen beschrieb:

»Nach einer halben Stunde hielten wir vor Sarona, einem gar schmucken Dörfchen mit sauberen Häuschen, die, weiß angestrichen, mit roten Ziegeln bedeckt und von kleinen Gärtchen eingefasst waren. Hier wohnen etwa 250 deutsche Landsleute aus Württemberg, die so genannten Templer, welche aus ihrer Heimat ausgewandert sind, um in Palästina deutsche Kolonien zu gründen und dadurch die Erfüllung der diesem Lande noch ausstehenden göttlichen Verheißung zu beschleunigen. Vor dem Schulhause spielten die Kinder und riefen uns das trauliche schwäbische Grüß Gott! zu. Oh, wie solch ein Gruß im fremden Land anheimelt! Ich sprang gleich vom Wagen herab, nahm mir das ganze Häufchen mit in die Schule, sang mit ihnen deutsche Lieder und erzählte ihnen von der alten Heimat. In einer Viertelstunde waren wir die besten Freunde und bedauerten beiderseitig, dass wir schon so bald wieder voneinander scheiden mussten.«

Ähnlich wie Karl May schildert Ninck hier die damaligen Schwierigkeiten auf den Verkehrswegen:»Unser Heimweg war fast noch halsbrechender als der Hinweg. Bald saßen wir im Sande fest, bald befand sich der Wagen bis an die Achsen im Sumpf, bald wateten die Pferde bis an die Knie im strömenden Gießbach.«

Im Zusammenhang mit seinem Besuch Jerusalems und der dortigen Tempelgemeinde in der Rephaim-Hochebene kommt der Missionar auch auf die nach seiner Feststellung stark abweichende Glaubensauffassung der Templer zu sprechen:

»Leider haben sich viele von Schwarmgeisterei irreführen lassen, sind arg zertrennt worden, ja, hier und da völlig vom Glauben abgefallen. Nur ein kleines Häuflein hält am alten Glauben fest und vereinigt sich in besonderen gottesdienstlichen Versammlungen. Gleichwohl muss man es den Templern lassen, dass sie in der Bebauung des Landes Großes geleistet haben. Was deutscher Gewerbefleiß und rührige Bewirtschaftung des Bodens auch an der judäischen Wildnis auszurichten vermögen, das zeigt uns diese Kolonie bei Jerusalem, ebenso wie jene zu Sarona auf den ersten Blick. Wie seltsam sticht das schöne Dörfchen mit seinen kleinen, reinlichen Häusern und zierlichen Gärten davor, mit seinen wohlbebauten Äckern und Weiden, mit seinen trefflichen Werkstätten und Industrieanlagen, mit seinem stattlichen Lyzeum und seiner modernen Dampfmühle gegen den undurchdringlichen Schmutz und die Verwahrlosung eines arabischen Fellachendorfs ab!«

Beschreibungen wie diese sind zwar stark von missionarischem Eifer geprägt und lassen oftmals sachliche Beurteilung vermissen, bestätigen aber die anfänglich nicht vorhersehbare rasche Anpassung der deutschen Siedler an die ihnen so fremde Umgebung in Palästina. Seit der Gründung von Sarona bis zum Besuch Nincks dort waren ja erst 13 Jahre vergangen. Und der Anfang war alles andere als leicht gewesen, worüber einiges schon in der Juni - »Warte« im Artikel »Der Geist von Sarona« zu lesen war.

Peter Lange

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