Die Warte des Tempels

Monatsschrift für offenes Christentum

Ausgabe 168/6 - Juni 2012

 

 

Credo

Brauchen wir ein Glaubensbekenntnis?

In den meisten evangelischen Gottesdiensten scheint es Brauch, wenn nicht sogar vorgeschriebene Gottesdienstordnung, zu sein, dass in jedem Gottesdienst das Glaubens­bekenntnis von allen gemeinsam gesprochen wird. Das wird wohl nicht allgemein praktiziert, aber da ich selten in einen evangelischen Gottesdienst gehe, kann ich das nicht beurteilen.

Laut einer vor einigen Monaten durchgeführten Befragung von über tausend evangelischen Kirchgängern lehnen 70 Prozent von ihnen diese Praxis ab. Nach ihren Gründen dafür wurde offenbar nicht gefragt oder nicht darüber berichtet. Das ist schade, denn diese Gründe können sehr unterschiedlich sein. Ich nenne die wichtigsten:

  1. Ablehnung des gemeinsamen öffentlichen Bekennens,
  2. Ablehnung eines Glaubensbekenntnisses überhaupt,
  3. Ablehnung dieses Glaubensbekenntnisses.

Zunächst schien mir das kein Thema für die »Warte« zu sein. Denn wir Templer haben kein verbindliches Glaubensbekenntnis. Der Gründer der Tempelgesellschaft war der Ansicht, dass wesentlich an der Religion nicht etwas sei, was man wissen und für wahr halten müsse, sondern dass und wie man seinen Glauben im praktischen Leben umsetze. Insofern bin ich in dieser Frage Partei. Ich habe zwar das für alle - oder fast alle - christlichen Konfessionen gültige so genannte Apostolische Glaubensbekenntnis im evangelischen Religionsunterricht in der Schule gelernt, aber es nie als etwas gesehen, was mich essentiell betrifft. Und als ich später anfing, darüber nachzudenken, wurde aus dem Nichtbetroffensein Ablehnung. Das war, vom ersten Abschnitt und einigen wenigen Zeilen abgesehen, nicht mein Glaubensbekenntnis. Es bestätigte meine templerische Auffassung, dass es besser sei, keines zu haben.

Dann erschien in diesem Jahr in der Zeitschrift »Publik Forum« eine ausführliche Diskussion zum Thema, ausgelöst durch zwei Artikel, einem Pro und einem Contra, in der Nr. 1 dieses Jahres, gefolgt in den Nummern 3 und 5 von weiteren Artikeln mit zusätzlichen Informationen und Meinungen und einer Auswahl aus der - nach Angaben der Redaktion - unerwartet großen Flut von Leserbriefen, pro und contra und teils/teils. Offenbar treibt das Problem viele evangelische Christen um. Die Diskussion hat mir deutlich gemacht, dass das Problem vielschichtig ist und durchaus Aspekte hat, die auch uns bekenntnislose Templer betreffen. Ich will versuchen, einige davon kurz zu umreißen.

Da wohl den meisten Templern - und vielleicht auch einigen anderen Christen - der Text des Bekenntnisses nicht ohne weiteres geläufig ist, setze ich ihn hierher, in der kürzeren, späteren Form des sog. Apostolikums, wie es heute in evangelischen Gottesdiensten gesprochen wird:

Credo

Wir glauben an Gott, den Vater, den Allmächtigen,

den Schöpfer des Himmels und der Erde.

Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn,

empfangen durch den Heiligen Geist,

geboren von der Jungfrau Maria,

gelitten unter Pontius Pilatus,

gekreuzigt, gestorben und begraben,

hinabgestiegen in das Reich des Todes,

am dritten Tage auferstanden von den Toten,

aufgefahren in den Himmel,

er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters,

von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.

Ich glaube an den heiligen Geist,

die heilige christliche Kirche,

Gemeinschaft der Heiligen,

Vergebung der Sünden,

Auferstehung der Toten und das ewige Leben. Amen.

(nach dem Gesangbuch der Evang. Landeskirche Württemberg, 1996, Nr. 686)

Zu den beiden Ausgangstexten der Diskussion:

Der erste stammt von Heinz und Christa Schade, er emeritierter Professor der Physik, sie Architektin und (ehemalige?) Krankenhausseelsorgerin. Sie lehnen das gemeinsame Sprechen des Glaubensbekenntnisses ab, weil die meisten Aussagen darin für heutige Gläubige irrelevant oder inakzeptabel seien und weil bei der heutigen Individualisierung der Glaubensvorstellungen ein ehrliches gemeinsames Bekenntnis aller Christen nicht mehr möglich sei. Sie sehen einen engen Zusammenhang zwischen diesem Problem und einem anderen, größeren: der Frage nach der Gültigkeit des kirchlich-dogmatischen Lehrgebäudes, die ihrer Ansicht nach in den Kirchen viel zu wenig gestellt wird. Als rühmliche Ausnahme - und wohl auch als Beispiel ihrer eigenen Einstellung - zitieren sie den Präsidenten des Evangelischen Kirchentages 2001: »Wie komme ich dazu, ausgerechnet im Gottesdienst beim Sprechen des Glaubensbekenntnisses vor allen Leuten regelmäßig zu lügen? Ich kann doch nicht glauben, dass Jesus vom Heiligen Geist gezeugt wurde, ... dass Maria ihn als Jungfrau zur Welt gebracht hat, ... dass er nach drei Tagen körperlich auferstanden ist.« (»Körperlich« steht zwar nicht im Apostolikum, aber indirekt im Nicänum, dem ältesten kirchenoffiziellen Glaubensbekenntnis.) Das dürfte dem Empfinden vieler Christen entsprechen.

Der zweite Ausgangstext stammt von Fulbert Steffensky, emeritierter Professor für Religionspädagogik, vielen wohl ein Begriff durch sein engagiertes Eintreten für ein stärker mystisch orientiertes Christentum. Er setzt zu Beginn einen interessanten Akzent. Bekennen bedeutet ein Einstehen für etwas gegen Widerstand und unter Risiko. Bezeichnenderweise wurde das gemeinsame Sprechen des Glaubensbekenntnisses im Dritten Reich von der Bekennenden Kirche eingeführt; bis dahin war es nur vom Pfarrer gesprochen worden. Aber unter Hitler in der Situation der beständigen Gefahr wurde dieses gemeinsame Sprechen zu einem echten Bekenntnis, das die Gemeinschaft, den Glauben, die Kraft zum Widerstand stärkte.

Heute gilt das nicht mehr. In unserer permissiven, religiös gleichgültigen Gesellschaft, in einem Staat, der Religionsfreiheit garantiert, geht niemand, der sich zu diesem oder einem anderen Glauben bekennt, ein Risiko ein. Das Sprechen des Glaubensbekenntnisses kostet nichts - damit ist es kein Bekenntnis mehr, sondern ein Ritual. Das ist nicht abwertend gemeint. Religion braucht Rituale. Aber: braucht das Christentum dieses Ritual?

Steffensky tritt für die Beibehaltung der bisherigen Praxis ein. Sein Hauptargument: »Alle Glaubensaussagen sind poetische Annäherungen an die Wahrheit.« Sie sind geprägt durch Umfeld und Persönlichkeit ihrer »Verfasser«, auch wenn diese sich als Verkünder einer göttlichen Botschaft verstehen, und sie sind deshalb nie uneingeschränkte zeitlose Wahrheit. Wir müssen sie ebenso nach unseren Zeitumständen und unseren persönlichen Empfindungen immer neu interpretieren, und wir tun das unwillkürlich, auch wenn wir uns dessen nicht bewusst sind.

Das ist, für mich, eine sehr sympathische Aussage. Aber ich kann sie nicht auf das Apostolikum beziehen. Ich empfinde es nicht als poetisch - das kann an meinem persönlichen Stilempfinden liegen.

Wichtig ist etwas anderes. Das Credo wurde 325 n.Chr. beschlossen auf dem so genannten 1. Ökumenischen Konzil in Nicäa (daher der Name Nicänum für die älteste Fassung; sie unterscheidet sich fast nur sprachlich von dem späteren Apostolikum). Das war eine vom Kaiser (!) einberufene und gelenkte Bischofssynode mit dem Zweck, einen erbitterten theologischen Streit beizulegen und so die Einheit der Kirche zu sichern und die des Reichs zu fördern und damit auch die Macht des Kaisers. Dem diente das Credo. Es war eine politische und kirchenpolitische Waffe. Es sollte nicht eine »Annäherung an die Wahrheit« sein, sondern die alleinige, absolute, alleinseligmachende Wahrheit verkörpern. Der Beweis wurde mitgeliefert: auf dem gleichen Konzil wurden alle Anhänger der unterlegenen Partei (die Arianer, im Ostteil des Reichs die Mehrheit), die das Credo nicht akzeptierten, verdammt und aus der Kirche ausgeschlossen, anschließend mit Hilfe der staatlichen Macht verfolgt und unterdrückt.

Damit bildet das Glaubensbekenntnis den Ausgangspunkt einer jahrhundertelangen unheilvollen Entwicklung: der des Absolutheitsanspruchs auf die Wahrheit, gepaart mit dem Bündnis zwischen Kirche und Staat, das der Kirche die Macht gab, ihre Wahrheit durch Gewalt zu erzwingen. Beides zusammen führte über die Jahrhunderte zu immer neuen Abspaltungen, Kämpfen, Vertreibung und grausamer Verfolgung. Über die Jahrhunderte dürfte die Zahl der Opfer in die Millionen gehen.

Das steht im krassen Gegensatz zu dem, was Jesus selbst gelehrt und gelebt hat. Das ist zwar für uns im Einzelnen nur ungenau zu erfassen, weil die Überlieferung von Anfang an andere Akzente gesetzt hat. Aber wenn man die synoptischen Evangelien im Zusammenhang liest, dann wird trotzdem sehr deutlich, was für ihn der Kern seiner Botschaft und allein wichtig war: das Kommen des Gottesreichs, die Liebe Gottes (ich sage lieber: das Angenommensein von Gott), das Vertrauen zu Gott und die Liebe der Menschen untereinander. Von all dem steht nichts im Credo. Jesus hat von niemandem ein Glaubensbekenntnis verlangt, und wenn er von Glauben spricht, dann meint er immer: Vertrauen.

Aus allen diesen Gründen scheint mir das Credo ungeeignet nicht nur als Glaubens­aussage, sondern auch als Symbol für eine Religion, die sich auf Jesus beruft.

Allerdings: Die Leserbriefe haben mir deutlich gemacht, dass das Problem noch einen anderen Aspekt hat. Einige lehnen das Credo total ab, andere setzen sich differenziert damit auseinander, aber ein Teil der Schreiber sagt eben auch, dass ihnen das Credo viel bedeute. Die Gründe lassen sich - in etwa - in zwei Punkten zusammenfassen:

Der erste: das Alter. Zitat: »Wunderbar finde ich es, mit diesem Glaubensbekenntnis in der großen Schar der Christen zu stehen, die es in der Vergangenheit gebetet haben und in Zukunft beten werden.« Das ist, rational gesehen, kein Argument, weil es den Inhalt völlig außer Betracht lässt. Der eifernde Gott des Alten Testaments, der die Sünden der Väter rächt bis ins dritte und vierte Glied, war für damalige Juden auch eine altersgeheiligte Aussage. Aber dass viele Menschen so empfinden, ist eine Tatsache.

Der zweite Punkt: Einige der Schreiber sagen, dass ihnen das Credo Geborgenheit gebe und Trost; einige beziehen das speziell auf die Erlösung durch Jesu Sühnetod, andere auf das Credo als ganzes. Auch wenn ich für mich selbst beides ablehne - ich denke, niemand hat das Recht, denen, die so empfinden, diesen Halt und Trost abzusprechen. Aber es hindert sie ja auch niemand daran, für sich das Credo zu beten. Die Frage ist nur, ob man daraus eine verpflichtende Übung für alle machen sollte.

Damit bin ich bei meiner eingangs gestellten Frage: Braucht man, braucht eine Religion ein Glaubensbekenntnis? Meines Wissens haben das nur die drei monotheistischen Religionen - es ist ein Aspekt des Anspruchs auf die absolute Wahrheit und von daher suspekt. Andererseits trägt ein Glaubensbekenntnis vielleicht zur Identitätsstiftung bei, zu Gemeinschaftsgefühl, es könnte Halt und eine gewisse Richtung vorgeben. Es müsste dann aber so formuliert sein, dass die Mehrheit der Gläubigen es ohne Skrupel akzeptieren könnte. In einem der Artikel zum Thema werden die Bekenntnisse der beiden anderen abrahamitischen Religionen zitiert: das jüdische: »Höre Israel, der Ewige ist unser Gott, der Ewige allein« und das muslimische: »Es ist kein Gott außer Allah, und Mohammed ist sein Prophet.« Beides ist so einfach und klar, und so umfassend, dass wohl jeder gläubige Jude bzw. Moslem es akzeptieren wird. Und deshalb ist es auch jedem geläufig und eine Art Erkennungsmerkmal - was man vom christlichen Credo sicher nicht sagen kann.

1999 brachte »Publik-Forum« einen Aufruf an die Leser, persönliche Glaubens­bekenntnisse einzusenden, und es kamen über 2000 Zuschriften. Einer der jetzt erschienenen Artikel zitiert sieben davon, und ich fand sie alle ansprechend, obwohl ich mit keinem davon ganz einverstanden bin. Ich zitiere drei davon:

Ich glaube an einen Gott, von dem ich mich geliebt fühle, der mich lenkt und leitet, der mir nahe ist.

Ich glaube an Gott, das Urprinzip, von dem Leben und Liebe kommt. Er ist in mir und außer mir.

Am meisten beeindruckt hat mich eines, das der Autor »Paradoxes Credo« nennt:

Ich glaube an Gott.

Auch für den Fall, dass es ihn nicht gibt, will ich an ihn glauben, den Schöpfer des Himmels und der Erde, und mich einsetzen für die Bewahrung der Schöpfung.

Ich glaube nicht an den Teufel.

Auch für den Fall, dass es ihn gibt - ich will nicht an ihn glauben, den Zerstörer und Entzweier, und mich einsetzen gegen die Machenschaften des Bösen. (leicht gekürzt)

Es geht nicht um eine Aussage über Gott, es geht darum, wie ich mein Leben führen will.

Gleich in zweien dieser wenigen Zitate zeigen die Autoren, dass und wie sich ihr Bekenntnis im Laufe ihres Lebens gewandelt hat, und wie wichtig es ihnen ist, dass für eine solche Entwicklung Raum sein muss.

Stellt man neben diese in sich schon so unterschiedlichen Beispiele noch die vielen, die das herkömmliche Credo ganz oder teilweise beibehalten wollen, dann wird deutlich, dass nicht möglich sein wird, heute ein neues Credo für die ganze Christenheit zu formulieren.

Dazu noch ein praktisches Beispiel: In den reformierten Schweizer Landeskirchen wurde schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts der Streit darüber, ob das Apostolikum noch zeitgemäß sei, so erbittert geführt, dass es in einigen Landeskirchen zur Spaltung kam. Um das zu verhindern, wurde 1848 in Zürich die »Bekenntnisfreiheit« beschlossen. Konkret bedeutete das, dass jede Gemeinde selbst entscheiden konnte, ob sie das Apostolikum beibehalten, ein eigenes Glaubensbekenntnis formulieren oder gar keines mehr haben wolle, und dass sie ihre Entscheidung auch bei Bedarf selbst revidieren konnte. Diese Lösung wurde alsbald von allen Landeskirchen übernommen und hat bis heute Bestand. In den letzten Jahren fanden einige Theologen, dass man angesichts der »Bedrohungen« - durch den Islam, den Papst (»Evangelische Kirchen sind nicht Kirche im eigentlichen Sinn«), das heutige pluralistische Religionsangebot, die allgemeine Säkularisierung - doch wieder ein gemeinsames Bekenntnis brauche. Es erging ein Aufruf an alle Pfarrer und Gemeinden, Vorschläge dafür einzureichen. Aber das Echo war so gering, dass der Versuch wieder aufgegeben wurde. Es bleibt also bei der bisherigen Lösung. Und die scheint mir gar nicht so schlecht zu sein. Es geht also auch ohne ein verpflichtendes Glaubensbekenntnis - mir scheint es besser, keines zu haben.

Brigitte Hoffmann

KLEINE GESCHICHTEN AUS DER GESCHICHTE

Der gestrenge Vater und der lebenslustige Sohn

Man könnte diesen Exkurs in die Geschichte auch mit der Überschrift »Der verlorene Sohn von Ostelsheim« versehen, denn manche Züge im jüngeren Lebensalter von Gottlieb Wilhelm Hoffmann gleichen dem im Jesus-Gleichnis beschriebenen, aus dem Vaterhaus in die Fremde gezogenen jungen Tunichtgut. Wir wissen über den später als Gründer von Korntal in die Geschichte eingegangenen Mann im Vergleich zu seinem jüngeren Sohn Christoph verhältnismäßig wenig, weshalb diese kleine Geschichte für unsere Leser vermutlich manch Unbekanntes enthält. Dieser Sohn Christoph Hoffmann gesteht in seiner Autobiografie, dass er selbst eigentlich verhältnismäßig wenig über den Entwicklungsgang seines Vaters erfahren habe, denn dieser habe seinen Söhnen verboten gehabt, Gottlieb Wilhelm Hoffmannnach seinem Tod etwas über sein Leben zu berichten, da in solchen Nachrufen gewöhnlich nur das Gute und nicht die Mängel, Fehler und Sünden des Verstorbenen vorkämen. Doch Christoph konnte über sein eigenes Leben nicht reflektieren, ohne dieses Vater-Vorbild zu erwähnen und zu beschreiben, das ihn sehr stark geprägt hatte. So erfahren wir also vom Sohn die wichtigsten Begebenheiten aus den jüngeren Jahren des in Ostelsheim nahe Weil der Stadt geborenen späteren Notars und Landtagsabgeordneten sowie Leonberger Bürgermeisters Gottlieb Wilhelm Hoffmann.

Gottlieb Wilhelm war im Ostelsheimer Pfarrhaus aufgewachsen, wo sein Vater als Pfarrer nach alter Väter Sitte über die Schäfchen seiner Gemeinde und besonders über seine Kinder waltete. Insgesamt 44 Jahre lang hatte der Pfarrer Christian Ludwig Hoffmann dieses Amt ausgeübt. Er arbeitete seine Predigten sorgfältig schriftlich aus, wie Christoph berichtet, »ohne mit denselben etwas Weiteres bezwecken zu wollen, als dass der Gottesdienst in hergebrachter Ordnung vor sich gehe, der Respekt vor dem geistlichen Amt erhalten werde und der kirchliche Lehrbegriff als einzig zulässige Lehre sich dem Gedächtnis der Zuhörer einpräge«. Nach diesem Muster wurden die beiden Söhne zur Strebsamkeit erzogen, indem sie häufig in ihre Studierstube eingeschlossen wurden oder die Anordnung erfolgte, dass sie an den Sonntagen eine Reihe von Predigten durchzulesen hätten. Spiel und Bewegung im Freien passten nicht in dieses Konzept.

Dass eine solche Erziehungsmethode gerade die entgegengesetzte Wirkung als die geplante entfaltete, schien daran nichts zu ändern. Wie Christoph schreibt, hatten die Söhne des Pfarrers sehr schnell den Ausweg über die Äste des dicht vor dem Fenster stehenden Apfelbaums entdeckt und machten durch wilde Fahrten, niedergetretene Zäune und mutwillig zu Scherben zerschlagene Töpfe auf sich aufmerksam. Der Ältere der beiden war in der Erfindung loser Streiche offenbar das Vorbild des jüngeren Gottlieb Wilhelm gewesen. Er stiftete den Bruder dazu an, im Konfirmandenunterricht des Vaters die langen Zopfbänder der Konfirmandinnen miteinander zu verknoten, was verständlicherweise beim Aufstehen der Betroffenen zu einem erheblichen Zetergeschrei der jungen Damen führte.

Die Verhältnisse änderten sich, als Gottlieb Wilhelm im benachbarten Städtchen Calw mit einer Lehrzeit den Berufsweg eines Amtsschreibers antreten sollte. Hier war er nun dem strengen Regiment seines Vaters und dessen Strafen ganz entzogen, »er atmete an den Sonntagen in der ihm ganz neuen Unbegrenztheit und in der Gesellschaft lustiger Schreiber viel freier, als er es zu Hause hatte tun können«. Bei den Gelegenheiten zu lustiger Gesellschaft, im Umtrunk und Spiel wollte er es seinen Lehrlingsgenossen gleichtun und schlitterte so, ohne es zu merken, in eine schlimme finanzielle Lage hinein. Er hatte völlig gedankenlos dahingelebt, ohne sich um etwas anderes zu kümmern als um angenehme Unterhaltung in der gegebenen freien Zeit.

Es muss wohl ein herbes Erwachen gewesen sein, als er eines Tages aus seinen Schulden nicht mehr heraus fand. Was tun? Am allerwenigsten konnte er den Eltern seine missliche Lage beichten. Es wurde ihm klar: ihm stand nur Schande und Untergang bevor. »Da fiel ihm ein, dass hier nur Gott helfen könne, und er dachte: Wenn ein Gott ist, so helfe er mir aus dieser Angst, dann weiß ich, dass er ist. Aber gleich folgte der andere Gedanke: Wenn er es täte, dann müsste ich ja an ihn glauben und anders leben.« Das eine wie das andere sah nicht nach einer Lösung des Problems aus.

In dieser schlimmen Lage erreichte ihn durch einen Boten der Brief einer Verwandten, die sich nach seinem Ergehen bei der Berufsvorbereitung erkundigte. Er schickte den Boten wieder weg - wollte sich vor ihm wohl nicht bloßstellen -, doch dieser beharrte darauf, eine Antwort schriftlich mitnehmen zu können. So war Gottlieb Wilhelm zum Schreiben - und damit zum Bekennen seiner Schuld - genötigt und schrieb sich in der Folge alles von der Seele, was ihn bedrückte. Am andern Tag - so steht es in Christoph Hoffmanns Biografie - erhielt er von der Tante die Summe, die er benötigte, mit der Bedingung, sie ihr zurückzuzahlen, wenn er es irgendwann bewerkstelligen könne. Sicherheiten verlangte sie nicht.

Christoph Hoffmann schreibt, dass diese Begebenheit seinem Vater den ersten Eindruck der Wirklichkeit unsichtbarer Mächte vermittelt habe. Dieser machte sich von da an mehr Gedanken über sein Leben, wie es gedankenlos und abgeschmackt bis dahin verlaufen war. Es wuchs sein Interesse und seine Neugier an Büchern, in denen nach dem Sinn des Lebens gefragt wird. Jetzt waren ihm dichterische und philosophische Gedanken plötzlich etwas wert, die er durch den Zwang im Elternhaus weit von sich gewiesen hatte. Und er merkte, dass es dabei viel zu entdecken gab, was in dem orthodoxen Pfarrhaus seines Vaters nie zur Sprache gekommen war. Er suchte sich Freunde, die mit ihm über religiöse Fragen diskutieren konnten. Es führte letztlich dazu, dass er sich in Leonberg einem Kreis pietistischer Freunde anschloss, deren Lebensführung ihm so viel geistige Nahrung gab, wie er sie im Elternhaus nie hatte genießen können.

Alles dies erfuhr ich bei einer Nachmittagsveranstaltung der Kirchengemeinde Ostelsheim, sinnigerweise in deren »Gottlieb-Wilhelm-Hoffmann-Saal«. Zahlreiche Ortsbewohner hörten interessiert den Worten der Referentin zu, deren Anliegen es war, den als Gründer und langjährigen Vorsteher der Brüdergemeinde Korntal berühmt gewordenen Mann nicht vergessen zu lassen. Es ist tragisch, dass sein Sohn Christoph durch seine Sammlungsbewegung der Jerusalemsfreunde sich von dieser Brüdergemeinde, in der er aufgewachsen war, religiös entfremdet und durch seine Ausstoßung aus der Landeskirche auch das Verhältnis zu seinem Vater stark belastet hatte. So ist es zu erklären, dass Christoph Hoffmann während seiner Kirschenhardthöfer Zeit einmal ein starkes Traumerlebnis hatte, in dem ihm sein - damals schon verstorbener - Vater erschien, der darum bat, auch seinerseits die Gründungsurkunde des »Deutschen Tempels« unterschreiben zu dürfen.

Für die Geschichtsbewussten unter den Templern ist die Information vielleicht noch interessant, dass die Schwiegereltern Christoph Hoffmanns, Pfarrer Karl Friedrich Paulus und Beate geb. Hahn, 1810 für einige Jahre im Pfarrhaus in Ostelsheim gelebt und gewirkt hatten.

Peter Lange

AUS DEN ANFÄNGEN DES TEMPELS IN WÜRTTEMBERG

Sammlungsort Murrhardt

Im Monat der Tempelgründung ist es angebracht, einen Blick zurückzuwerfen auf die Anfangszeit unserer Glaubensgemeinschaft in Württemberg. Dies soll hier mit den Worten des Templer-Ältesten Christian Spörle aus Nassach (bei Spiegelberg) geschehen, der als Bauernsohn in jungen Jahren in der Schule von Christoph Paulus auf dem Kirschenhardthof unterrichtet worden war und später als Nachfolger von Jakob Wohlfahrt in Murrhardt und Köchersberg Tempel-Versammlungen leitete. In seiner Wohnung fanden auch Konfirmanden-Stunden statt. Zunächst aber zu einem Rückblick auf seine Jugendzeit:

Als ich etwa 10 Jahre war, hat sich in unserem Haus eine Änderung vollzogen. Die Tempelbewegung, die in den 60er Jahren vom Kirschenhardthof ausgegangen war, hat sich auch auf Nassach ausgedehnt. Ich kann mich noch erinnern, wie der erste Evangelist, Johannes Seitz, in unser Haus kam und mit meinen Eltern über die Sache redete. Mein Vater konnte sich zunächst nicht einverstanden erklären mit dem, was ihm da geboten wurde, vor allem auch deswegen, weil man die Kirche so angegriffen hat. Es ist da von den jungen Evangelisten auch etwas scharf vorgegangen worden; vor allem war es Seitz, der etwas derb war.

Mein Onkel Gottlieb Rosenberger war der Tempelbewegung schon länger zugetan; er ist einige Male mit seiner Frau auf dem Salon gewesen, allerdings möglichst bei Nacht, aus Furcht vor den Verwandten und anderen Leuten, die der Sache sehr abgeneigt waren. Mein Vater ist dann selbst auf den Hardthof gegangen und hat sich mit Hoffmann über die Sache ausgesprochen. Er wurde dann ein recht eifriger Templer. Meine Mutter hatte sich mit dem Pietismus nie recht befreunden können, sie war der Tempelbewegung bälder geneigt, und das hat dazu beigetragen, dass auch mein Vater sich den Jerusalemsfreunden anschloss.

Da man dazu aus der Kirche austreten musste, war das ein nicht ganz leichter Schritt, zumal wenn man gut zum Pfarrer und der Kirche stand, wie es bei meinen Eltern der Fall gewesen ist. Da meine Eltern in einem guten Ansehen standen und nicht von anderen abhängig waren, ist es für sie etwas leichter gewesen als für andere. Das war auch für mich gut, da man von mir verlangte, dass ich den Schulraum verlassen sollte, wenn der Pfarrer zum Religionsunterricht kam. Das war freilich nicht ganz leicht für mich, da ich mich dann in einem Nachbarhause aufhalten musste, bis der Pfarrer die Schule wieder verlassen hatte.

Als ich 13 Jahre alt war, wurde ich auf ein Gesuch hin, das meine Eltern ich glaube an das Konsistorium richteten, über den Sommer von der Schule beurlaubt, denn mein Vater konnte mich zu der vielen Arbeit im Bauerngeschäft gut gebrauchen. Als der Herbst kam, wo ich wieder in die Schule musste, haben mich meine Eltern auf den Kirschenhardthof gebracht. Ich kam zu Herrn Christoph Paulus in Kost und Logis. Da waren auch Zöglinge aus verschiedenen Gegenden Württembergs, die in allerlei Fächern Unterricht erhielten. Da war ein Heinrich von Bünau, ein Verwandter der Familie Paulus; ein Sohn von Oberstleutnant von Pfeifelmann aus Ludwigsburg; eines Posthalters Sohn aus Neustadt a.d. Linde; ein Pflegesohn von Herrn Fabrikant Metz in Freiburg namens Krug; ein Schweizer Henry Kullen und drei Russen, die schon älter waren, namens Paul Tietz, Johann Schmidt und Gerhard Dück. Es war eine schöne Zeit, die ich im Hause von Christoph Paulus erlebte. Es ist dann noch ein weiterer Zögling hinzugekommen, Gottlob Killinger aus Ebhausen, der auch den Konfirmationsunterricht erhielt, den letzten, den Herr Christoph Hoffmann in Deutschland gegeben hat.

Da nun in jener Zeit die Auswanderung nach Palästina stark im Schwung war, so haben auch wir in Nassach unsere Liegenschaften verkauft und wollten fortziehen. Der Besitz war zwar für mich bestimmt, und es wundert mich heute, dass mein Vater sich dazu entschließen konnte, ihn zu verkaufen, aber die Auswanderungslust hat alles überwogen, und ich selbst war stark dafür. Da ich aber vor dem Militärdienst stand, bekam ich keinen Pass und wurde dann Soldat. Mein Vater wollte ohne mich nicht fortziehen, und so ist es unterblieben.

Es war zu jener Zeit der Tempelälteste Jakob Wohlfahrt in Murrhardt, in dessen Haus die sonntäglichen Versammlungen abgehalten wurden. Mein Vater wie auch ich und meine Schwester haben daran teilgenommen. Ich hatte das Interesse für den Tempel durch meinen Militärdienst nicht verloren gehabt. Was ich selbst zur Förderung des Tempels getan habe, ist nicht von großer Bedeutung, doch könnte ich nicht sagen, dass ich ganz müßig am Markte stehen geblieben wäre. Ich habe da und dort Besuche gemacht, um die Leute aufzumuntern, auch bin ich zuletzt, als es an passenden Kräften fehlte, noch lehrend aufgetreten, wozu ich mich nur langsam entschließen konnte, da ich nicht anderen predigen wollte und selbst verwerflich würde. Ich bin mir aber in dieser Hinsicht keiner Verschuldung bewusst, ich konnte eben nicht mehr geben als ich im Besitz hatte, und am Fehlermachen hat es auch nicht gefehlt bei aller guten Gesinnung.

Immer wieder denke ich zurück an die Zeit, wo der Ruf zur Sammlung des Volkes Gottes an die Welt erging, wo die Sendboten des Tempels von Ort zu Ort gingen und Vorträge hielten in Wirtshäusern, in Schulen und Privathäusern. Ich selbst war auch oft dabei, weil ich von Jugend auf ein Interesse für die Sache hatte. Es waren auch nicht wenige, die das Kommen des Reiches Gottes auf der Erde mit Freuden aufnahmen und vor allem auf Palästina ihr Augenmerk richteten. Es war eine große Begeisterung dafür vorhanden, und wer wollte es auch so armen Leuten, wie die Weber in Jux und Spiegelberg, verargen, wenn sie ihre Lage verbessern wollten, da sie kaum das kärgliche Brot für sich und die Ihrigen zustande brachten. Beide Orte lagen ganz in der Nähe von Nassach, und so sind diese Leute auch in unser Haus in die Versammlung gekommen. Im Mainhardter Wald, wo ich mitunter hinkam, war eine größere Zahl von Leuten, die sich dem Tempel anschlossen. Als dann aber keine Aussicht für sie vorhanden war, dass sie nach Palästina übersiedeln könnten, haben sich die meisten wieder zur Kirche gewendet.

Wir hatten drei Jahre lang einen Evangelisten im Haus, nämlich Adam Doster. Eines Menschen will ich hier noch gedenken, nämlich des Gottlieb Elser aus Murrhardt. Er war Korbmacher und in seiner Jugend auf schlechte Wege geraten und dadurch an Leib und Seele fast ganz verdorben worden. Es kann aber gesagt werden, dass aus ihm noch ein recht tüchtiger Mensch geworden ist. Er hat zur Zufriedenheit aller gearbeitet, sein Handwerk ausgeübt und sich sonst in jeder Beziehung gut gehalten. Auch ist er einige Jahre Kolporteur gewesen und hat Tempelschriften verkauft und verbreitet, er war für dieses Geschäft außerordentlich gut geeignet.

Eine große Opferfreudigkeit war in jener Zeit unter den Tempelleuten, es wurde alles für Palästina gegeben. Man wollte unter allen Umständen das angefangene Werk erhalten und fördern. Man hat viel von dort erwartet, was sich bis jetzt nicht alles erfüllt hat. Man dachte vor allem daran, dass junge Kräfte wieder zurückkehren würden, die das Tempelwerk mit erneuter Kraft fördernd in die Hand nehmen und zur weiteren Ausbreitung verhelfen.

Wenn ich nun 80 Jahre meines Lebens zurückgelegt habe, so denke ich zurück an das, was in der Zeit meines Lebens Gott an mir getan hat. Er hat mich in Geduld getragen, mich in großen Lebensgefahren, in Unglücksfällen, die tödlich hätten verlaufen können, am Leben erhalten, in schweren Krankheiten, die auch hätten zum Tod führen können, mir wieder Gesundheit und neue Lebenskraft gegeben. Das ist nicht meinem guten Verhalten zuzuschreiben, sondern einer besonderen Hilfe, die mir der Herr in den vielen Nöten meines Lebens hat zukommen lassen. Ihm allein gebührt dafür das Lob und der Dank und der Preis und die Ehre.

(in Auszügen der »Warte des Tempels« Nr. 2/1935 entnommen)

Die Lilie von Saron

Vom Wunschzettel des preußischen Kronprinzen

Es war Anfang November 1869, als Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen Palästina bereiste. Auf seinem Weg nach Jerusalem besuchte er auch die Templer in Jaffa, die gerade erst ihre neue Gemeinde ins Leben gerufen hatten. »Er stieg vom Pferde«, berichtet Gemeindevorsteher Christoph Hoffmann in der »Süddeutschen Warte«, »und redete mehrere von uns an, sprach in der leutseligsten Weise mit einzelnen, machte dann einen Gang durch die Kolonie und in das Haus des Vorstehers und kehrte in unserem erst in der Einrichtung begriffenen Gasthaus ein, wo er mit seinem Gefolge ein Frühstück einnahm.«

Bei seinen Gesprächen mit den Neusiedlern hatte er den Wunsch geäußert, man möge doch seiner Gemahlin (Kronprinzessin Victoria) Samen der »Lilie von Saron« schicken, von der in der Bibel so viel die Rede sei. Die Jaffaner wollten dieser Bitte natürlich gerne nachkommen, sammelten die in Betracht kommenden Pflanzen und ernteten deren Samenstände. Den Ertrag sandten sie in einer von Bildhauer Christoph Paulus aus dem Stein des Lilie von SaronÖlbergs gearbeiteten Kapsel nach Berlin, wofür sich die Beschenkte mit einer Spende von 100 Talern bedankte.

Der in Sachen der Bibel gut bewanderte Christoph Hoffmann wollte es nicht bei der bloßen Übersendung des Samens belassen, sondern auch näher erläutern, ob es sich dabei um die Pflanzenart handelt, die von Martin Luther mit »Lilie« übersetzt worden war, denn darüber hatte er seine Zweifel. Die bekanntesten Stellen, bei denen Luther mit »Lilie« übersetzte, sind die im »Hohelied Salomos« 2,1 (»Ich bin eine Blume in Scharon und eine Lilie im Tal«), im Prophetenbuch des Jesaja 35,1 (»Die Steppe wird jubeln und wird blühen wie die Lilien«) und in der Bergpredigt des Matthäus vom Schätzesammeln und Sorgen 6,28 (»Schaut die Lilien auf dem Feld, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht; ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet ist wie eine von ihnen«).

Hoffmann folgert, dass im hebräischen Urtext von einer einzigen Blumenart des Feldes die Rede ist, von »Schoschan« oder »Schoschannah«, was dann in der griechischen Übersetzung der Septuaginta mit »Krinon« bezeichnet wurde. Nun erwähnt der Geschichtsschreiber Plinius aber in seiner naturkundlichen Abhandlung eine »rote Lilie« (»Es gibt auch eine rote Lilie; die Griechen nennen sie crinon, anders heißen ihre Blüte cynorrhodon«). Wäre es nicht denkbar, dass damit die hochrote Anemone gemeint war, die auch für die ersten Templer (und auch noch für die Teilnehmer unserer gegenwärtigen Israelrundreisen) Steppen und Berghänge in ihrer Blütezeit in ein leuchtendes Rot tauchen? Ich selbst kann mich noch gut daran erinnern, wie meine Eltern mit uns Kindern in die Umgebung von Sarona fuhren, um neben wildwachsenden Tulpen solche Anemonen (auch blaue und gelbe) zu pflücken und mit nach Hause zu nehmen.

So scheint es eine Folge von Übersetzungsschwierigkeiten gewesen zu sein, die diese prächtigen Blumen des Feldes als weißblühende Lilien in die Bibel gebracht haben. Schieben wir die Schuld dann mal den Römern zu, die aus »crinon« einfach »lilium« machten. Diese sprachlichen Veränderungen werden aber sicher der Königlichen Hoheit die Freude über das Geschenk aus Jaffa nicht genommen haben. Für sie war der von den Templern gesammelte Samen eine gefühlsmäßige Verbindung zur so oft erwähnten biblischen »Blume von Saron«.

Peter Lange

Nachtrag aus dem Biblischen Handwörterbuch von P. Zeller von 1885:

Lilie, schuschan, scheint keine besondere Blumenart bezeichnet zu haben, sondern im Allgemeinen die Blütenpracht, die sich im Frühjahr auf den Feldern entfaltet. Wer eigentliche Liliengewächse unter schuschan verstehen möchte, der hat die Wahl unter allen Lilienarten, welche sämtlich wild in Palästina wachsen, neben Tulpen, Hyazinthen, Cyclamen usw.

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