Glaube
Tempelglaube ist zugleich Aufgabe

Der Tempelglaube ist auf eine Aufgabe hin ausgerichtet. Das heißt aber nicht, dass er an den Themen der Transzendenz vorbei ginge. Er räumt ihnen nur keine vorgeordnete Stellung ein. Für den Tempel sind es Früchte des prüfenden und wirkenden Geistes und nicht seine Basis und nicht sein Ursprung.

Darum kann der Tempel auch keine Glaubenssätze akzeptieren ohne das Filter des Geistes, ohne Prüfung durch das Gewissen und die religiöse Intuition. Darum hat in der Anfangszeit des Tempels die Auseinandersetzung mit der Kirche in den Fragen von Taufe, Abendmahl und Dreifaltigkeit eine so grundsätzliche Bedeutung erhalten - weit über die sachliche Bedeutung hinaus. Es ging nach außen darum, dass eine kritiklose Übernahme von Dogmen und Lehrsätzen nicht akzeptiert werden kann. Sie widerspricht dem Menschenbild des Tempels. Darum verlangt der Tempel von seinen Mitgliedern auch keine Glaubensgefolgschaft über die Verpflichtung zur Mitarbeit am Reich Gottes hinaus.

Immer wieder hört man von Außenstehenden - und gelegentlich auch von Templern selbst -, im Tempel gebe es keinen Glauben und kein Glaubensbekenntnis. Dies ist aber eine Fehleinschätzung, denn wer sich zum Tempel bekennt, verpflichtet sich auch, sein Leben so einzurichten und so zu leben, dass diese Welt besser, menschlicher, lebenswerter und friedlicher wird. Er verpflichtet sich, in diesem Sinn mit anderen zusammenzuleben, kurz und in der alten Sprache: er verpflichtet sich, zum Werden des Reiches Gottes auf Erden beizutragen. Eine solche Verpflichtung kann wahrhaftig als ein »Bekenntnis« gewertet werden.

Ein solches Bekenntnis greift tief in die Existenz ein:

Es ist der Glaube, dass Gott - die Kraft, die die Schöpfung bewirkt und lenkt - diese Welt auf ein gutes Ende hin steuert.

Es ist der Glaube, dass der Mensch eingeladen ist, am Werden dieses Zustandes mitzuwirken, dass er also über das Wesen des Geschöpfes hinausreicht.

Es ist der Glaube, dass der Mensch ein Teil der stofflichen Natur ist und deren Gesetzen unterworfen. Darüber hinaus ist er jedoch mit den Gaben des Geistes versehen, die den Menschen in einer geistigen Evolution zum Guten und Gottgewollten befähigen. Der Mensch ist nach diesem Bild nicht von Natur aus gut, sondern durch die geistigen Gaben zum Guten fähig und bestimmt.

Dieser Glaube stellt höchste Ansprüche an Geist und Persönlichkeit, viel mehr als die herkömmlichen Glaubensbekenntnisse der christlichen Kirchen. Aber es gibt auch Defizite. Vieles von dem, was die Gründergeneration an Glaubensinhalten und an religiösen Bräuchen für den Alltag mitbrachte, wird heute nicht mehr geteilt und nicht mehr praktiziert. Der prüfende Geist hat sich im Lauf der Jahre immer stärker auf den Verstand konzentriert, und was diesem nicht zugänglich ist, wurde als nicht nachvollziehbar aufgegeben. Was nur dem gläubigen Herzen und der religiösen Intuition vorbehalten ist, ging verloren. Diese Entwicklung hat schon in den ersten Jahren der Templer in Palästina angefangen.

Es stellt sich nun die Frage: Was ist geblieben und was wird bleiben? Was ist das Gute, was wir behalten wollen? Es sind in der Hauptsache die Anliegen, die auch schon der Apostel Paulus in seinen Briefen angesprochen hat:

Es ist der Gedanke des verbindenden Gemeindelebens, der Gemeinde als Ort des wirkenden Geistes, vielleicht nicht mehr oder nur zum Teil der räumlich geschlossenen Gemeinde, auf jeden Fall aber der Gemeinde, die Aktivitäten entfaltet.

Es ist die Einstellung zum Leben, die uns dankbar sein lässt.

Es ist der prüfende Geist, das Gewissen als Richtschnur allen Glaubens und daraus resultierend die Verantwortlichkeit des Einzelnen für seinen Glauben und sein Tun.

Es bleibt als Mittelpunkt des Tempelglaubens die Verheißung einer besseren, gerechteren Welt, die sichere Erwartung und die Verpflichtung, die im letzten Jahrhundert die Tempelgemeinde in Haifa bewogen hatte, auf die Stirnseite ihres Gemeindesaals zu schreiben: »Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes!«

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