Wie alle Jahre führten mich die in Gläsern auf den Treppenstufen stehenden roten und hell brennenden Kerzen direkt zum Saal und stimmten auf die Weihnachtsfeier ein. In der Küche roch es schon nach Glühwein und Punsch und die bunten Teller wurden gerade von Gridle und Tine mit Gutsle, Stollen und Schnitzbrot bestückt. Im Saal warteten ca. 30 fröhlich gestimmte Menschen von ganz klein bis hoch betagt auf Karins Weihnachtsansprache und darauf, dass die Kerzen am Christbaum entzündet werden und er in seiner ganzen Pracht erstrahlt. Auch die Krippe auf dem Flügel fehlte nicht.
Nach Rumis stimmungsvollem Klavierspiel begrüßte Karin die Anwesenden. Sie ging dabei auf das tragische Geschehen in Magdeburg und die Kriege in der Ukraine und Israel ein. Durch das Weihnachtsfest zeige sich aber, dass uns Gott nahe ist, auch wenn wir Leid erfahren.
Karin stellte die Weihnachtsfeier unter das Thema »Engel«, die uns in der Bibel immer wieder begegnen, aber auch Mitmenschen können uns im täglichen Leben wie Engel erscheinen. Doch zuerst sangen wir gemeinsam das Lied »Am Weihnachtsbaum die Lichter brennen« während die Kerzen an »unserem« Weihnachtsbaum im Saal angezündet wurden. Anschließend las uns Leo die Weihnachtsgeschichte von Astrid Lindgren vor, Tine untermalte diese mit Bildern aus dem gleichnamigen Buch. Eine schöne Idee, die allen gefiel!
Nach dem Gemeindelied »Dies ist die Nacht, da mir erschienen« erzählte uns Karin eine kleine Geschichte von dem armen, arbeitslosen Mädchen Betty, die hungrig und verzweifelt eine Brieftasche stahl. Für sie wurde die Warenhausdetektivin zum rettenden Engel und brachte eine Wende in ihr Leben. Dank ihrer Menschenkenntnis erkannte die alte Frau die Notlage des Mädchens und auch, dass das ein einmaliges Vergehen war. Sie sorgte dafür, dass die Brieftasche den Weg zum rechtmäßigen Besitzer zurück fand, nahm Betty das Versprechen ab, so etwas nie wieder zu tun, und lud sie zum Essen ein. Fast besinnungslos vor Angst und durch den Vorgang entgeistert, erschien Betty die Frau wie ein Engel.
Weil wir auch viel singen wollen in unserer Weihnachtsfeier - so Karin - sangen wir nun gemeinsam »Weil Gott in tiefer Nacht erschienen«.
Stichwort Engel, dazu Karins Ansprache kurz umrissen: Wie in der erzählten Geschichte erscheinen uns im Alltag Menschen, die uns in prekären Situationen helfen, wie Engel. Engel sind ein ganz wesentlicher Bestandteil der Weihnachtsgeschichte und spielen auch in anderen Bibelstellen eine Rolle. Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament gibt es viele Engelserscheinungen, die eines gemeinsam haben: sie sind für die Menschen, die sie erleben, so real, dass immer eine Handlung die Folge ist. Die Aufgaben werden trotz Schwierigkeiten ausgeführt und nehmen ein gutes Ende, sodass sie als Gottes Wort erkannt werden. Denken wir an die Weihnachtsgeschichte, so bleibt Josef, trotz anderer gesellschaftlicher Gepflogenheiten bei Maria, die Hirten gehen zum Stall und beten das Kind an, das durch ein Engelsgebot den Namen Jesus, d.h. »Gott mit uns«, erhalten hat, Josef flieht mit Maria und dem Kind nach Ägypten.
Und heute? Jeder Zweite in Deutschland glaubt laut einer Umfrage an Engel. Glück gehabt oder doch einen Schutzengel? Wer das Letztere denkt, drückt damit - bewusst oder unbewusst - seine Dankbarkeit gegenüber Gott aus. Im Zuge der Aufklärung wurde unser christlicher Glaube immer rationaler. Doch wir brauchen auch das »Denken mit dem Herzen« und da sind Engel die Verbindung zwischen Himmel und Erde. Wir empfinden sie als Beschützer. Wieviel Trost und Ermutigung kann in dem Kindergebet stecken, nach dem 14 Engel um das Bettchen stehen und das Kind behütet einschlafen lassen. Verschenken wir einen Schutzengel, geben wir symbolisch Gottes Beistand und Segen mit auf den Weg. Aber bei Engeln geht es nicht nur um Symbolik, sondern, wie in der Eingangsgeschichte, können Menschen einander zu Engeln werden und vielleicht ist es genau das, was den Sinn des Weihnachtsfestes ausmacht. Passend dazu sangen wir das Lied »Die Weihnacht gibt uns neues Licht«.
Karin las uns dazu ein Gedicht vor:
Maria und Josef, sie schützen das Kind,
sie schützen im Stall es vor Wetter und Wind.
Es ist ja das Kind, das den Menschen soll bringen
das Leben aus Liebe, das Engel besingen.
Das Licht dieses Kindes, o lasst es uns hüten,
es schützen vor teuflisch selbstsüchtigem Wüten!
Die Welt ist gezeichnet von Folter und Kriegen,
der Ungeist des Machtmissbrauchs scheint zu obsiegen.
O Jesu, bist Du umsonst uns geboren?
Das Licht Deiner Liebe verlöschend, verloren?
Noch feiern wir Deine Geburt, liebes Licht,
und hüten es. Lass es auslöschen nicht!
Entzünde uns selber, sodass wir hell strahlen
heilsam in dieser Welt voller Qualen.
Wolfram Zoller
Nach dem Spendenaufruf für die Initiative »Lifegate«, dem Weihnachtslied »Stille Nacht«, dem »Vater unser« und Rumis weihnachtlicher Schlussmusik am Klavier - die ich ganz besonders fand - gingen wir zum gemütlichen Teil der Weihnachtsfeier über.
Nun durften die Kinder ihre Geschenke unter dem Christbaum aussuchen und auspacken. Sie hatten damit ihre liebe Freude und verbreiteten Fröhlichkeit und gute Laune. Gespräche bei Glühwein, Punsch und Weihnachtsgebäck ließen alle noch eine ganze Zeit verweilen, bevor man sich auf den Heimweg machte.
Es war eine schöne, familiäre Feier. Dank allen, die dazu beigetragen haben: Rumi mit ihrem Klavierspiel, Leo und Tine für die Weihnachtsgeschichte, all die »Heinzelmännchen«, die den Saal geschmückt und fürs leibliche Wohl gesorgt haben, und Karin für ihre Engelsansprache. Danke!