Glaube
Glaube und Selbstverständnis der Templer

Gemeinsame Erklärung der Tempelgesellschaft in Deutschland und der Temple Society Australia

 

Vorwort

Diese Erklärung ist die erste ihrer Art, seit sich die Tempelgesellschaft in Deutschland (TGD) und die Temple Society Australia (TSA) vor rund fünfzig Jahren als zwei »Gebiete« der Tempelgesellschaft konstituiert haben, die sich zwar jeweils selbständig verwalten, aber durch den gemeinsamen Glauben, das gemeinsame Anliegen und den gemeinsamen Tempelvorsteher miteinander verbunden sind.

Die Erklärung ist das Ergebnis einer Gemeinschaftsarbeit von TGD und TSA; sie wurde in engem Zusammenwirken zwischen dem Tempelvorsteher und den Ältesten beider Gebiete verfasst.

Die Erklärung gibt die Hauptpunkte des Glaubens und des Selbstverständnisses der Tempelgesellschaft wieder sowie die praktischen Folgerungen, die sich daraus für die Gegenwart ergeben. Sie soll als Bezugspunkt und Orientierungshilfe für die eigenen Mitglieder dienen und ein Ausgangspunkt sein für den Meinungsaustausch mit Mitgliedern anderer christlicher Konfessionen und anderer Religionen. Ferner ist sie als Hilfe für die Arbeit der Templer-Ältesten gedacht.

Damit diese Erklärung auch in zukünftigen Jahren die gemeinsamen Glaubensauf­fassungen und die praktische Arbeit der Templer widerspiegeln kann, wird es nötig sein, sie von Zeit zu Zeit zu überarbeiten, um auf unserem weiteren Glaubensweg neuen Einsichten und Erfahrungen Rechnung zu tragen.

Dietrich P. Ruff, Tempelvorsteher, Mai 2000

Allgemeines

Die Tempelgesellschaft ist eine unabhängige, undogmatische christliche Glaubens­gemein­schaft, die sich an Jesus von Nazareth und seiner Lehre ausrichtet.

Wir vertreten ein persönlich verantwortetes, weltoffenes Christentum und fühlen uns mit allen denjenigen verbunden, die mit unserem Anliegen einig gehen.

Das Wort Tempel in unserem Namen bezieht sich auf das in den Briefen des Neuen Testaments gebrauchte Bild der christlichen Gemeinschaft 1 Kor 3,16:

Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?

und 1 Petr 2,5a:

Ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause .... (in einer anderen Über­setzung: zum Tempel)

Für uns heute hat das Wort Tempel zwei Bedeutungen, die eng miteinander zusammen­hängen:

eine gemeinschaftsbezogene: ein Aufruf an alle, gemeinsam Gottes geistigen Tempel zu bauen,

und eine auf den Einzelnen bezogene: der Mensch als ein Tempel, in dem Gottes Geist wohnt.

Wir bemühen uns, als Einzelne und als Gemeinde, diesem Auftrag gerecht zu werden, indem wir unser Leben an der Lehre Jesu ausrichten.

Glaube

Gott

Für uns ist Gott eine geistige Realität, die alles erschaffen hat, die in und über allem wirkt, über unser Erkennen und über die diesseitige Welt hinaus.

Er ist für uns persönlicher Gott insofern, als der Einzelne eine persönliche Beziehung zu ihm haben kann, sich ihm verantwortlich und von ihm angenommen weiß.

Wir sind uns der Begrenztheit aller unserer Aussagen über Gott bewusst, weil Gott für den menschlichen Verstand nicht fassbar ist.

Jesus

Anders als bei den meisten anderen christlichen Konfessionen ist Jesus für uns Mensch, gottbegnadet und Gott-nahe wie vielleicht keiner oder vielleicht nur wenige außer ihm. Er hat uns gelehrt und vorgelebt die allein wesentlichen Richtlinien, an denen wir unser Leben ausrichten sollen und dürfen: Vertrauen zu Gott und Liebe zum Nächsten im Streben nach dem Reich Gottes.

Er ist für uns nicht menschgewordener Gott, der uns durch seinen Opfertod erlöst hat. Erlöser ist er für uns nicht durch seinen Tod, sondern dadurch, dass seine Gottessicht uns die Angst vor Gott und vor dem Tod nehmen kann. Sein Tod hat keine heilsgeschichtliche Bedeutung; seine Bereitschaft zum Tod ist Ausdruck seiner Hingabe an seinen Auftrag und seines Gottvertrauens.

Jesu Auferstehung ist für uns nicht ein erstmaliges Ereignis, das die unsrige erst möglich macht, sondern eine Manifestation der geistigen Weiterexistenz jenseits des Todes.

Die Bedeutung dessen, was in den Evangelien darüber berichtet wird, liegt darin, dass die Erscheinungen den Jüngern dieses geistige Sein erlebbar machten und damit eine ganz neue Glaubenszuversicht und ein neues Sendungsbewusstsein in ihnen weckte.

Reich Gottes

Das Reich Gottes war der Hauptinhalt von Jesu Botschaft. Es bedeutet eine Vervollkommnung des Menschen und der Welt, eine vertrauensvollere Beziehung der Menschen zu Gott und untereinander. Es schließt die irdische Realität ein, aber es erschöpft sich nicht darin.

Wir verstehen unter diesem Reich nicht einen plötzlichen Umbruch am Ende der Zeit, sondern ein allmähliches Wachsen, an dem wir mitwirken sollen und dürfen. Es ist ein fortdauernder Prozess, dessen Ziel und Ende für unser begrenztes Erkennen nicht vorstellbar ist. Wesentlich bleibt der göttliche Auftrag, nach dieser Vervollkommnung zu streben. Deshalb ist unser Motto Mt 6,33:

Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und
nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch zu
fallen, wessen ihr bedürft.

Mensch

Durch Gottes Schöpferkraft haben wir einen, wenn auch begrenzten, freien Willen und Anlagen zum Guten wie zum Bösen. Wir sind aufgerufen zur Arbeit an uns selbst und an der Welt, von der wir ein Teil und für die wir mitverantwortlich sind.

Bibel

Als eine Urkunde des christlichen Glaubens enthält die Bibel die grundlegende Lehre des Christentums. Als Christen anerkennen und achten wir die biblischen Schriften und betrachten sie als eine reiche Quelle menschlicher Erfahrungen mit Gott. Wir glauben jedoch nicht daran, dass die biblischen Bücher von Gott »wörtlich diktiert« sind und man ihnen deshalb blindlings folgen muss.

Um die wahre Bedeutung der Lehre Jesu und der ersten christlichen Überlieferung zu erkennen, halten wir es für notwendig, diese Schriften unvoreingenommen zu lesen und an sie den kritischen Maßstab anzulegen, der auch bei allen historischen Dokumenten üblich ist. Darüber hinaus müssen wir prüfen, was von den überlieferten Worten und Geschichten zeitgebunden und was für uns nach wie vor maßgeblich ist - Maßstab müssen die Grund­gedanken der Lehre Jesu sein.

Gemeinde

Wir halten die Bildung von christlichen Gemeinden für wesentlich, weil Christentum nur in der Gemeinschaft praktiziert werden kann. Der Auftrag der Mitarbeit am Reich Gottes bezieht sich auf unsere ganze Mitwelt, aber er lässt sich in der Gemeinde Gleichgesinnter am besten umsetzen. Wir erwarten deshalb von unseren Mitgliedern nach Möglichkeit Mitarbeit in der Gemeinde und Teilnahme am Gemeindeleben.

Selbstverständnis und praktische Folgerungen

Wir sehen unsere Aufgabe darin, hinzuarbeiten auf eine Vervollkommnung der Welt und des Menschen und damit einen Beitrag zu leisten, dass mehr Reich Gottes in der Welt wachsen kann.

Für diese Aufgabe halten wir ein gelebtes Christentum des Gottvertrauens und der Nächstenliebe, entsprechend dem Doppelgebot der Liebe, Mt 22,37-39,

Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen, von
ganzer Seele und von ganzem Gemüte und
deinen Nächsten wie dich selbst

für wichtiger als das Fürwahrhalten einzelner Glaubenssätze.

Wir verlangen deshalb von unseren Mitgliedern kein verbindliches Bekenntnis zu den unter Punkt 2 skizzierten Glaubensinhalten, aber verbindlich die Bereitschaft zur Mitarbeit an dieser Aufgabe.

Wir erkennen an, dass diese Aufgabe - mit anderem Stellenwert - auch von anderen christlichen Konfessionen und - unter anderen Namen und Voraussetzungen - auch von anderen Religionen gesehen und als Ziel verfolgt wird. Darüber, ob manche dieser Wege besser sind als andere, steht uns kein Urteil zu.

Wir lassen deshalb auch Doppelmitgliedschaften zu, sowohl in Bezug auf andere christliche Konfessionen als auch in Bezug auf andere Religionen, wenn der Einzelne das vor seinem Gewissen verantworten kann.

Dem entspricht, dass wir die subjektive Wahrhaftigkeit in der Religion für unabdingbar halten. Deshalb wird man Mitglied in der Tempelgesellschaft nicht durch Geburt, sondern nur durch eigene Willenserklärung.

Kultische Handlungen im Sinne von religiösen Bräuchen zur Vertiefung der Andacht halten wir für richtig; kultische Handlungen mit Sakramentscharakter, d.h. mit dem Anspruch der Heilsvermittlung, wie z.B. die Taufe, lehnen wir ab.

Dementsprechend haben wir keine geweihten Stätten für Gottesdienste, keine geweihten Priester und auch keine hauptberuflichen Pfarrer. Die religiöse Leitung der Gemeinden liegt in der Hand von jeweils mehreren »Ältesten«, die aus der Gemeinde hervorgehen.

Aktuell
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